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Deutsche Bahn Was bei den Bahn-Tarifverhandlungen diesmal anders ist

7,6 Prozent mehr Geld fordert die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft von der Deutschen Bahn. Der Konzern ist allerdings in einer tiefen Krise. Stehen die Züge in Deutschland bald wieder still?

Von Michel Winde und Matthias Arnold, dpa 28.01.2025, 04:30
Die EVG-Verhandlungsführer Cosima Ingenschay und Kristian Loroch begrüßen Bahn-Personalvorstand Martin Seiler (rechts) bei der ersten Tarifrunde in Frankfurt.
Die EVG-Verhandlungsführer Cosima Ingenschay und Kristian Loroch begrüßen Bahn-Personalvorstand Martin Seiler (rechts) bei der ersten Tarifrunde in Frankfurt. Boris Roessler/dpa

Berlin/Frankfurt - Die Deutsche Bahn und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) haben sich in der ersten Tarifrunde im Frankfurt vorsichtig angenähert. Die Bahn legte ein Angebot vor, das eine Kernforderung der Gewerkschaft aufnahm. Gleichwohl braucht es aus Sicht der Gewerkschaft mehr. Beide Seiten drücken aufs Tempo. Warnstreiks drohen vorerst keine. Ein Überblick: 

Müssen sich Fahrgäste auf Warnstreiks einstellen?

Mit Warnstreiks legen die Gewerkschaften den DB-Fernverkehr im Laufe von Tarifverhandlungen immer wieder weitgehend lahm. So erhöhen sie den Druck auf die Arbeitgeberseite. Diesmal ist jedoch vieles anders. Der aktuelle Tarifvertrag - und die damit einhergehende Friedenspflicht - läuft noch bis Ende März. Bestenfalls haben beide Seiten sich bis dahin geeinigt. 

Die Gewerkschaft sei zu „zügigen und konstruktiven Verhandlungen“ bereit, sagte EVG-Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay vor dem ersten Treffen in Frankfurt. Die Beschäftigten brauchten Klarheit in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Ein möglicher Streik ab April sei nur „das letzte Mittel“. Zugleich machte die Gewerkschafterin in den vergangenen Tagen immer wieder klar, dass man das Druckmittel Streik nicht aus der Hand lege. Es werde keinen Abschluss um jeden Preis geben. Wenn man in den Verhandlungen nicht weiterkomme, sei vom 1. April an alles möglich.

Was bietet die Bahn und was fordert die Gewerkschaft?

7,6 Prozent mehr Geld sollen es nach dem Willen der Gewerkschaft für die rund 192.000 Beschäftigten werden, für die die EVG-Tarifverträge gelten. Schichtarbeiter sollen außerdem ein Zusatzgeld von 2,6 Prozent bekommen, das zum Teil in freie Tage umwandelbar sein soll. Für EVG-Mitglieder soll es zudem eine Bonuszahlung in Höhe von 500 Euro geben. Und: Alle Beschäftigten sollen ihren Job garantiert bis Ende 2027 behalten. Eine bestimmte Laufzeit fordert die Gewerkschaft nicht.

Die Bahn hat zur ersten Verhandlungsrunde unter anderem eine Tariferhöhung von 4 Prozent in zwei Stufen geboten und stellt daneben auch das geforderte Zusatzgeld für Schichtarbeiter von 2,6 Prozent in Aussicht. Die Laufzeit soll allerdings 37 Monate betragen. Das schaffe Planungssicherheit in wirtschaftlich unsicheren Zeiten, betonte der Konzern. „Während der laufenden Sanierung sind unsere Spielräume begrenzt, dennoch sind wir bereit, auf die EVG zuzugehen“, teilte Seiler im Anschluss mit. 

Wie reagierte die EVG? 

„Wir begrüßen, dass die DB AG bereits in der ersten Verhandlungsrunde ein Angebot vorgelegt hat“, teilte Ingenschay mit. „Positiv bewerten wir, dass dabei auch auf unsere Forderung nach einem EVG-Zusatzgeld eingegangen wurde.“ Allerdings kritisierten die Arbeitnehmer die lange Laufzeit von 37 Monaten. Angesichts dieser Zeitspanne seien 4 Prozent „deutlich zu wenig“, betonte die Verhandlungsführerin. Das Zusatzgeld komme zudem zu spät.

Wieso wird bei der Bahn ständig über Tarife verhandelt?

Bahnkundinnen und -kunden haben mitunter das Gefühl, Tarifverhandlungen bei der DB seien ein Dauerzustand. Seit 2023 wurde in jedem Jahr um Tarife gerungen. Schließlich kämpfen gleich zwei Gewerkschaften um Einfluss bei der Bahn. Neben der EVG gibt es noch die kleinere, aber umso streitbarere Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). 

Die Tarifverträge mit den beiden Arbeitnehmervertretungen haben stets unterschiedlich lange Laufzeiten. So dauerte es nach der Einigung zwischen Bahn und EVG im Jahr 2023 nur wenige Monate bis zum Beginn der GDL-Tarifrunde im November. Diese zog sich über Monate bis weit ins Folgejahr hinein. Die Auseinandersetzungen waren jeweils von längeren Arbeitskämpfen geprägt. Ein kleiner Trost: Sollten sich die EVG und die Bahn nun tatsächlich innerhalb weniger Wochen einigen, haben Fahrgäste noch bis Ende Februar 2026 Ruhe. Erst dann endet die Friedenspflicht für die GDL.

Welche Rolle spielt die vorgezogene Bundestagswahl?

Die Wahl am 23. Februar ist zumindest maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Verhandlungen heute schon beginnen. Aufgrund der Ungewissheit, die eine neue Bundesregierung für die Bahn bringen könnte, bat die EVG um vorgezogene Verhandlungen. Denn die Union, die die nächste Regierung anführen könnte, fordert schon lange die Zerschlagung der Bahn. 

„Für mehr Wettbewerb müssen Infrastruktur- und Transportbereich stärker als bisher voneinander getrennt werden“, heißt es im Wahlprogramm. Die EVG lehnt das vehement ab und argumentiert, dass damit keines der Probleme bei der Bahn gelöst werde.

In welchem Zustand ist die Bahn? 

Die Bahn steckt in der Krise - wirtschaftlich und betrieblich. Im vergangenen Jahr waren die Fernzüge unter anderem aufgrund der maroden Infrastruktur so unpünktlich wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Mehr als jeder dritte ICE und IC war mit Verspätungen unterwegs. 

Die Bahn will wichtige Teile des Schienennetzes in den nächsten Jahren umfassend sanieren. Doch nach dem Aus der „Ampel“-Regierung aus SPD, Grünen und FDP ist unklar, ob der Bund die notwendigen Milliarden weiter zur Verfügung stellt. 

Gleichzeitig hat die Bahn finanzielle Probleme. Sie ist hoch verschuldet. Wichtige Sparten, wie die Güterverkehrstochter DB Cargo, fahren seit Jahren hohe Verluste ein. Auch hier will die Bahn sanieren. Tausende Stellen sollen in den nächsten Jahren wegfallen. In den Tarifverhandlungen mit der EVG dürfte der finanziell enge Spielraum ein Knackpunkt werden.