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Hambacher Forst Umweltaktivisten urinieren auf Polizisten

Die Braunkohlegegner im Hambacher Forst halten die Polizei auf Trab. Erneut demonstrierten Tausende gegen die geplante Rodung.

16.09.2018, 23:01

Kerpen (dpa) l Demonstrationen von mehreren tausend Umweltschützern und ein spektakuläres Versteck von Braunkohlegegnern tief unter der Erde haben die Räumung des Hambacher Forstes nicht stoppen können. Die Polizei traf am Sonntag am vierten Tag der Räumaktion erneut auf Widerstand der Umweltaktivisten. Seit Sonnabend wurden nach Polizeiangaben Dutzende Braunkohlegegner vorübergehend festgenommen oder in Gewahrsam genommen. Viele kamen aber wieder auf freien Fuß.

Tausende Umweltschützer aus zahlreichen Regionen demonstrierten am Sonntag gegen die geplante Rodung des uralten Waldes westlich von Köln und forderten einen schnellen Ausstieg aus der Kohleverstromung. Die Polizei sprach von mehr als 4000 Demonstranten, die verschiedenen Aktivistengruppen von 5000 bis zu 9000 Teilnehmern.

Der Wald, in dem Einsatzkräfte weiter Baumhäuser der Umweltaktivisten räumten, wurde von der Polizei abgesperrt. Die Demonstranten liefen über Äcker und Wege am Rande des Forstes. Einige trugen junge Bäume mit sich, die sie in bereits gerodetem Gebiet anpflanzen wollten.

Der Energiekonzern RWE will im Herbst weite Teile des Hambacher Forstes abholzen, um weiter Braunkohle baggern zu können. Der Wald gilt als Symbol des Widerstands gegen die Kohle und die damit verbundene Klimabelastung.

Nach einem stundenlangen Einsatz drang die Grubenwehr Herne am frühen Sonntagmorgen zu zwei in einem selbstgebauten Schacht verschanzten Aktivisten vor. Die beiden Männer verließen den einsturzgefährdeten Schacht schließlich freiwillig. In dem elf Meter tiefen Schacht mit zwei Kammern war eine lebensbedrohlich hohe Kohlenstoffdioxid-Konzentration gemessen worden. Rettungskräfte hatten Luft in den Schacht gepumpt. Beide Aktivisten wurden medizinisch versorgt. Die Polizei beendete am Sonnabend nach mehreren Stunden die Blockade von Baggern und zwei Förderbändern im Braunkohlekraftwerk Niederaußem in der Nähe des Hambacher Forstes.

Seit Beginn des Einsatzes am Donnerstag seien etwa 18 Behausungen geräumt und teilweise beseitigt worden, sagte eine Sprecherin der Polizei Aachen. Erschwert wurde die Räumung dadurch, dass sich erneut Aktivisten angekettet hatten. Der Einsatz im Hambacher Forst bringe die Polizei insgesamt „an die Grenzen ihrer Belastbarkeit“, erklärte die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG). „Dabei schieben wir bereits Millionen Überstunden vor uns her“, sagte der Landesvorsitzende Erich Rettinghaus.

Die Gewerkschaft warf den Umweltaktivisten vor, ihr eigenes Leben und das der Einsatzkräfte aufs Spiel zu setzen. Die Polizei kritisierte auch das „entwürdigende Verrichten der Notdurft“ über den einschreitenden Polizisten.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace forderte den sofortigen Stopp der Räumungsaktion. Die Landesregierung solle zunächst die Ergebnisse der Kohlekommission abwarten, die bis Ende des Jahres einen Pfad für den Ausstieg aus der Kohleverstromung festlegen soll, sagte Martin Kaiser, Greenpeace-Geschäftsführer und Mitglied der Kohlekommission. Offiziell hat die Kommission nach eigenen Angaben kein Mandat für den Wald.

Breite Kritik an Pofallas Zeitplan zum Kohleausstieg kommt aus der Kommission selbst, aber auch aus den betroffenen Ländern. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) sagte am Sonntag der dpa, das Gremium habe noch viel Arbeit vor sich; wichtige Grundlagen seien ungeklärt. "Umso unverständlicher ist es, dass zu so einem frühen Zeitpunkt Ausstiegsdaten genannt werden." Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte der dpa, die Kohlekommission sei obsolet, wenn es solche Vorfestlegungen gebe.

Michael Vassiliadis, Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, mahnte: Wenn Pofalla mit irgendwelchen Ausstiegsdaten jongliere, "dann kappt er fahrlässig das zarte Pflänzchen des Vertrauens, das sich in dem Gremium gerade erst gebildet hatte". Mit neun anderen Kommissionsmitgliedern schrieb Vassiliadis an Pofalla, die Berichterstattung habe sie «in höchstem Maße irritiert». Die im "Spiegel" veröffentlichten Zahlen gäben nicht die bisherigen differenzierten Beratungen der Kommission wieder.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte: "Vorfestlegungen und Geheimabsprachen erschweren die Arbeit der Kohlekommission unnötig." Zudem sei der Vorschlag viel zu ambitionslos, die Pariser Klimaziele würden damit verfehlt.

RWE bezeichnete einen Ausstieg bis 2038 als "nicht akzeptabel". Das Ende der Kohleverstromung hänge auch vom schnellen und konsequenten Ausbau der Netze und der erneuerbaren Energien ab. Die Kohlekommission müsse dafür ein schlüssiges Gesamtkonzept vorlegen.