Digitalisierung „Modernisierungsschub für die Bahn“
Der Bahnknoten Stuttgart soll Vorreiter bei der Digitalisierung werden. Bis aber das gesamte Netz digital ist, dauert es noch Jahre.
Berlin (dpa) l Für pünktlichere und zuverlässigere Züge will die Bahn die Digitalisierung in Deutschland beschleunigen. Bis in die Mitte der 2030er Jahre könnte das gesamte Schienennetz digitalisiert werden, sagte Bahn-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla am Dienstag in Berlin. Dies kostet aber viel Geld. Die Bahn sei mit dem Bund über die Finanzierung im Gespräch, so Pofalla. Allein für die Digitalisierung des Bahnknoten Stuttgarts rechnet die Bahn mit Investitionen in Höhe von 462,5 Millionen Euro.
Die Region soll in Deutschland im Zuge des Bahnhofsprojekts Stuttgart 21 bis Ende 2025 der erste digitalisierte Bahnknoten in Deutschland werden. Der Bund und die Deutsche Bahn unterzeichneten am Dienstag in Berlin eine entsprechende Finanzierungsvereinbarung. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sprach am Dienstag von einem „Modernisierungsschub" für die Bahn. Die Züge sollen zuverlässiger und pünktlicher werden, außerdem sollen mehr Züge auf den Strecken fahren können.
Ab dem Fahrplanwechsel im Dezember 2025 sollen die Züge des Fern-, Regional- und S-Bahnverkehrs im Knoten Stuttgart auf einem mit digitaler Technik ausgerüsteten Netz fahren. Neben dem neuen Hauptbahnhof und weiteren Stationen sollen zunächst Strecken mit einem Umfang von mehr als 100 Kilometern mit digitalen Stellwerken, dem Zugsystem ETCS und hoch automatisiertem Fahrbetrieb ausgerüstet werden. „Allein auf der S-Bahn-Stammstrecke werden wir um 20 Prozent leistungsfähiger“, so Pofalla.
Der Knoten Stuttgart ist eines von drei Pilotprojekten aus dem sogenannten Starterpaket Digitale Schiene Deutschland. Neben der Region Stuttgart werden auch die Schnellfahrstrecke Köln-Rhein/Main und die Trassen der transeuropäischen Verbindung Skandinavien-Mittelmeer mit der neuen europäischen Leit- und Sicherungstechnik ETCS und digitalen Stellwerken ausgestattet. Für die Digitalisierung der Schiene hat der Bund bisher rund 4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.
Bereits im April hatten sich Bahn, Land, Stadt und Region als Partner des milliardenschweren Bahnhofsprojekts Stuttgart 21 darauf geeinigt, die neueste Technologie der Zugsteuerung auch bei S21 zu realisieren. Die Einigung sah eine Anpassung des Finanzierungsvertrags vor, Mehrkosten für das Bauprojekt sollten nicht entstehen. Das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm umfasst Stuttgart 21 und die Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm.
Scheuer, Pofalla sowie Finanzstaatssekretär Rolf Bösinger unterzeichneten am Dienstag außerdem eine neue Rahmenfinanzierungsvereinbarung. Damit sollen Investitionen in die Schienenwege effizienter umgesetzt werden.
Der Grünen-Bahnexperte Matthias Gastel sagte im Radioprogramm SWR Aktuell, es sei eine kluge Entscheidung, das Neubauprojekt Stuttgart 21 gänzlich mit neuer Technik auszustatten und auf herkömmliche Technik zu verzichten. Allerdings kritisierte er: „Wir haben allgemein das Problem, dass wir in Sachen Digitalisierung der Schiene anderen Ländern, aber auch den Möglichkeiten und Erfordernissen um Jahre hinterherhinken.“ Nun werde es so sein, dass in sehr kurzer Zeit von alter auf neue Technik umgestellt werden müsse. Es bestünden deshalb große Risiken, dass nicht alles gut laufe.
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bezeichnete die Finanzierungsvereinbarung als weiteren wichtigen Schritt hin zu einem stabilen und zuverlässigen Schienenverkehr im Knoten Stuttgart. Damit könne die Pünktlichkeit gesteigert und mehr Verkehr auf demselben Netz abgewickelt werden. Auch der Umgang mit Störungen im Betrieb werde verbessert.