Grüne Woche Häppchen fürs Volk in Berlin
Die Grüne Woche - zum 84. Mal findet die Agrarmesse in Berlin statt. Sachsen-Anhalt hat seinem Auftritt einen neuen Look verpasst.
Berlin l 10 Uhr, vor den Türen des Berliner Messegeländes bilden sich am Freitag die ersten kleinen Schlangen. Busse entledigen sich ihrer Besuchergruppen. Dann geht‘s los. Startschuss zur 84. Grünen Woche. Die weltweit größte Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau hat aufgerüstet. 1750 Aussteller aus 61 Ländern präsentieren ihre Produkte – nach Veranstalterangaben die höchste Beteiligung in der 93-jährigen Geschichte. Die Trends sind nicht ganz neu: Regionale Produkte, ökologische und vegane Ernährung sowie fairer Handel stünden im Mittelpunkt, verkündete Messechef Christian Göke im Vorfeld. Die Leistungsschau der Branche zieht dennoch. An zehn Messetagen werden bis zum 27. Januar rund 400.000 Besucher erwartet.
Daneben gibt es im Rahmenprogramm mehr als 300 Foren, Seminare, Kongresse, unter anderem auch die Internationale Agrarminister-Konferenz. Neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigen sich zahlreiche Politiker auf der Messe. Besonders gefordert: Landwirtschafts-ministerin Julia Klöckner (CDU). Seit zehn Monaten ist sie im Amt. Der Eröffnungsrundgang - eine Bewährungsprobe. Nach anderthalb Stunden Verkostungstour zieht sie in der Blumenhalle ein erstes Zwischenfazit: „Also, Hunger haben wir net.“ In den nächsten Tagen geht es munter weiter. Produktköniginnen und -könige treffen, live kochen mit einer Gruppe von jungen Köchen. Rundgang durch die Halle 23a.
Dort präsentiert sich das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unter dem Motto „Und was gibt’s morgen? Landwirtschaft mit Herz und Drohne“. Interessant: Die Besucher dürfen dort in einen digitalen Milchviehstall hineinschnuppern. Die Kuh wird hier auf Schritt und Tritt überwacht. Mit einem Pedometer etwa kann gemessen werden, welche Distanz im Stall zurückgelegt wird. Es gibt Messgeräte für die Wiederkäutätigkeit, ein automatisches Melksystem.An anderer Stelle lässt sich ein Saugroboter besichtigen, der Mist aufsammelt. Hightech im Kuhstall. Das Ziel dieser Helferlein: „Entlastung für Landwirte und Verbesserungen beim Tierwohl“, sagt Anne-Katrin Steinmetz vom Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL). Von der Halle 23a ist es nur ein Katzensprung in die angrenzende Sachsen-Anhalt-Halle 23b. Dort muss man sich eine Stunde nach der Eröffnung an einigen Ständen bereits gedulden. Eng ist es in den Gängen. Am Stand von Keunecke-Feinkost lässt sich eine Potsdamerin gerade einen Kümmelknacker schmecken. Gegenüber werden einer Gruppe aus Bautzen am Rotkäppchen-Stand die Gläser zum zweiten Mal vollgemacht.
Die Messe sei für Sachsen-Anhalts Ernährungswirtschaft ein überaus wichtiger Termin, hatte Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert (Grüne) im Vorfeld der Messe erklärt. Die Branche erwirtschaftete zuletzt 7,43 Milliarden Euro im Jahr. 111 Betriebe gibt es, 20.000 Mitarbeiter sind in der Ernährungswirtschaft beschäftigt. Das Land lässt sich den Messeauftritt auch deshalb rund 600.000 Euro kosten. 86 Aussteller sind in diesem Jahr vertreten. Neben Unternehmen aus Ernährungswirtschaft, Landwirtschaft und Direktvermarktung zeigen Aussteller aus der Tourismusbranche sowie mehrere Landkreise ihre Angebote.
Einer davon: Der Landkreis Börde. Zum siebenten Mal sei man mit einem Stand auf der Grünen Woche, sagt Danny Schonscheck, Fachdienstleiter Wirtschaft beim Landkreis. Die einzelnen Kommunen – etwa Haldensleben oder Oschersleben – erhalten die Möglichkeit, sich während der Messe-Tage zu präsentieren, so Schonscheck. Bei der touristischen Vermarktung setzt der Landkreis auch in diesem Jahr auf sein Zugpferd, die Motorsport-Arena Oschersleben. Daneben sollen Touristen auf andere Angebote aufmerksam werden. Interessant sei aufgrund der räumlichen Nähe vor allem das Berliner Publikum, findet Schonscheck. Bevor der Besucher den Stand verlässt, sollte er noch einen „Börde-Hotdog“ abgreifen – eine Kräuter-Wiener im Kartoffelbrötchen mit Zwiebelmarmelade. Annett Lange, eine Besucherin aus Sangerhausen, beißt beherzt hinein. Die Grüne Woche sei für sie ein Pflichttermin. Und die Sachsen-Anhalt-Halle? Die sei schon sehr schön, sagt sie.
Eine etwas ungewöhnlichere Soße zum Hot-Dog gäbe es auch am „Stand der Wissenschaft“. Die Hochschule Anhalt stellt dort an zwei Messetagen Grillsoße auf Malzbasis vor. Ganz ohne Zucker, künstliche Aromen oder Farbstoffe. Auch die Hochschulen Merseburg und Magdeburg-Stendal sowie die beiden Universitäten in Magdeburg sind am Stand vertreten – eine Neuheit in der Sachsen-Anhalt-Halle. Das Ziel ist die Zusammenarbeit von Ernährungswirtschaft und Hochschule. Daraus sollen im besten Fall gemeinsame Projekte resultieren, sagte Claudia Dalbert vor der Messe.
Nach dem Essen braucht es nun dringend etwas zum Herunterspülen. Zum Beispiel bei einem der Unternehmen, die in diesem Jahr zum ersten Mal auf der Grünen Woche vertreten sind – die Privatbrauerei Stendal. Zu finden ist sie für zwei Tage am Stand des Landkreises. Die Bier-Connaisseure möchte Inhaber Norman Schönemann dort mit seiner Spezialität beeindrucken. Die heißt Taubentanz, ist ein handwerklich gebrautes Craft-Bier. „Das ist sehr fruchtig, mild, gut gehopft und naturbelassen“, sagt er. In guter Gesellschaft ist er mit seinem Craft-Bier in jedem Fall. Die Szene wächst und ist immer noch einer der Trends auf der Grünen Woche. Auch in Sachsen-Anhalt hat sich die Zahl der Brauereien seit Ende der Neunziger verdoppelt. 25 sind es aktuell, viele kleine haben sich ihre Nische gesichert.
Auch in anderen Länderhallen zapfen Craft-Bier-Macher um die Wette. Im Partnerland Finnland sind die unabhängigen Brauer gerade ziemlich angesagt. Zehn finnische Mikrobrauereien sind angetreten, um die Kehlen der Besucher mit einem Lager oder einem Ale zu kitzeln. Die meisten davon gibt es noch nicht im deutschen Handel. Eine gute Chance, mal zu probieren. Finnland hat sich richtig ins Zeug gelegt, immerhin ist es das diesjährige Partnerland. Geködert wird der Besucher unter anderem mit Flammlachs, Dinkel-Lakritze, Rentier-Chips und Roggen-Gin.
Weiter in die nächste Halle: Vor allem süße Leckereien gibt es am Stand von „The Fudge Shop“. Von englischem Weingummi über Marmite und Karamel-Konfekt in allen Geschmacksrichtungen. Und der Brexit? „Ich bin dagegen“, sagt Verkäufer Mike Vernon. Mit der EU hat er zwar auch so seine Probleme. Aber die derzeitige Posse – na ja, die will er am besten gar nicht weiter kommentieren. Fest steht: Beim wie auch immer gearteten Austritt werde sicher einiges komplizierter, denkt der Engländer. Dass er im nächsten Jahr wieder auf der Grünen Woche sein wird, davon ist er trotzdem felsenfest überzeugt.