Windkraft-Ausbau Mühlen für alle im Salzlandkreis
Eine Windkraftanlage komplett in Händen ortsansässiger Bürger - in Egeln (Salzlandkreis) wird daran gearbeitet.
Magdeburg l Der Windkraft-Ausbau in Deutschland stagniert. Gründe sind Flächenengpässe, Genehmigungsstau und die Klageflut durch Verbände oder Anwohner.
Kann Bürgerbeteiligung ein Mittel zur Akzeptanz werden? Ja, denkt Sven Rust. Im Hauptberuf ist er Landwirt. Rust ist aber auch einer der Geschäftsführer der 2019 gegründeten Börde-Energie-GmbH mit Sitz in Wolmirsleben. In Egeln will sie bis 2022 bis zu vier „Bürgerwindräder“ errichten. Besonders ist: Die Bürger kaufen Anteile und betreiben die Windkraftanlagen in einer Kommanditgesellschaft (KG) selbst. „Wir wollen so viele Anwohner wie möglich mit ins Boot holen“, sagt Rust. Wenn der Wind bläst, lockt eine attraktive Rendite. Herrscht Flaute, fällt die Ausschüttung geringer aus. Chance und Risiko. Profitieren sollen auch die Grundstückseigentümer – etwa Bauern – die für ihre Flächen Pacht bekommen.
Ein Beispiel aus der Nähe zeigt, dass ein Bürgerwindrad schnell wirtschaftlich betrieben werden kann. Nur rund 30 Kilometer von Egeln entfernt in Ilberstedt (Salzlandkreis) dreht sich seit 2017 eine Mühle. Betrieben wird sie ebenfalls von einer KG, der Wipper Energie GmbH. Bürger aus Ilberstedt und Umgebung konnten sich Anteile zwischen 5000 und 50.000 Euro sichern. Einer von ihnen ist Arne Testorf. Er ist Pfarrer in Ilberstedt. Er habe mit der Beteiligung gute Erfahrungen gemacht, sagt er. Die Anlage wirft bereits Gewinne ab. Die erste Ausschüttung war zwei Jahre nach dem Start geplant. Zur Freude der Anteilseigner wie Testorf gab es bereits im ersten Jahr zweimal eine Überweisung aufs Konto. Die Betreiber hatten vorsichtig kalkuliert. 4,9 Prozent Rendite sollten es werden. Am Ende wurde es deutlich mehr, sagt Testorf. Der Wind blies gut – die Ernte konnte sich sehen lassen.
Auch in Egeln sollen die Gewinne in Zukunft auf die Konten der Menschen fließen, die die Windräder täglich vor der Haustür sehen. Die Gewerbesteuer soll im Ort bleiben, der Stadtrat hatte sich nahezu geschlossen für die Börde-Energie als Projektpartner entschieden.
Die Zeit, in denen Finanzinvestoren ihre Geschäfte machen und die Steuern woanders abgeben, soll vorbei sein, sagt Sven Rust. Planbare und höhere Steuereinnahmen aus der Windkraft sollten besser Stadt und umliegenden Gemeinden zugute kommen, findet er. Wie viele Windräder in Egeln gebaut werden, hängt auch davon ab, wie viele Leute mitmachen.
Nun geht es um den Bebauungsplan. Ein Planungsbüro in Bernburg arbeitet daran. Ein Windrad dürfte mit rund sechs Millionen Euro zu Buche schlagen, fünf Millionen werden finanziert, von den Bürgern müsste je Windrad eine Million beigesteuert werden. Die Geschäftsführer sind optimistisch, dass sie das nötige Kapital ausschließlich in Egeln und im Salzlandkreis einsammeln können.
Wir müssen die Akzeptanz für Windkraft erhöhen, sagt Hans-Michael Strube, neben Sven Rust und Rolf Rieken einer der Geschäftsführer der Börde-Energie. Ein „Windbürgergeld“, wie Anfang des Jahres von SPD-Politikern ins Spiel gebracht, hält er für keine gute Idee. Man müsse sich daran gewöhnen, sich als Bürger an Windkraft-Projekten zu beteiligen, „dann kann die Energiewende gelingen“, denkt Strube.
Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe arbeitet derzeit an einem Konzept, wie der Ausbau der Windkraft an Land wieder beschleunigt werden kann. Bis Ende März sollen Vorschläge erarbeitet werden. SPD-Bundestagsfraktionsvize Matthias Miersch hatte Anfang des Jahres ein „Windbürgergeld“ vorgeschlagen. Eine solche Prämie könne helfen, den Widerstand gegen Windräder vor der Haustür zu überwinden.
Sachsen-Anhalts Energieministerin Claudia Dalbert (Grüne) möchte die Betreiber von Anlagen verpflichten, einen Teil der Wind-Erlöse an die Kommunen auszuzahlen. Das Geld könnten die Gemeinden nutzen, um die Lebensqualität in den Gegenden um die Windräder zu verbessern, schrieb die Grünen-Politikerin in der vergangenen Woche in einem offenen Brief an Bundesenergieminister Peter Altmaier (CDU). Die CDU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt bezeichnete den Vorschlag Dalberts als „modernen Ablasshandel“. Eine derartige Abgabe beteilige nicht die Bürger an den Gewinnen der Windkraft, sondern ermögliche den Kommunen eine neue Einnahmequelle, kritisierte der wirtschaftspolitische Sprecher Ulrich Thomas.
Stichwort Akzeptanz: Nach einer Umfrage des Bundesumweltministeriums fühlt sich nur einer von fünf Befragten durch Windräder in der Umgebung gestört. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) hat die Umfrage ausgewertet. Zwischen Land und urbanen Regionen zeigten sich nur minimale Unterschiede. Es handele sich um „eine kleine Minderheit in der Bevölkerung“, die ein Akzeptanzproblem erwirke, heißt es in dem Bericht.