TV-Tipp Nackt. Das Netz vergisst nie
Was das Internet anrichten kann, erfahren wir gerade mit Dingen wie "Fake News" zu Genüge. Aber es kann auch im Privatleben viel Unheil anrichten - wie ein Sat.1-Drama nun zeigt.
Berlin (dpa) - Längst schon ist das Internet nicht mehr die tolle und schöne Errungenschaft, die es einst einmal gewesen ist - zuviel Hass, Respektlosigkeit und anonym eingestellte Grausamkeiten haben sich dort breit gemacht.
Was private Fotos oder Videos, die von jemandem anderen hochgeladen wurden, im Leben einer Familie anrichten können, das zeigt der Film "Nackt. Das Netz vergisst nie", der an diesem Dienstag (20.15 Uhr) auf Sat.1 im Rahmen eines Thementages ("Cybermobbing - Gegen Hetze im Netz") zu sehen ist.
Es ist Nacht in München, eine Frau rennt mit einem Messer in der Hand aus dem Haus und rastet aus: Es ist Charlotte (Felicitas Woll). Was sie so rasend gemacht hat, wird in der Rückblende deutlich: Nacktfotos von ihrer 16-jährigen Tochter Lara (Aleen Kötter) sind auf einer Seite im Internet aufgetaucht. Die Familie wird erpresst, und Laras Vater Marcus (Martin Gruber) entscheidet, die geforderte Summe von 500 Dollar zu zahlen. Die Fotos verschwinden daraufhin, tauchen jedoch am folgenden Tag erneut im Internet auf. Die Polizei macht einen Betreiber in Burma ausfindig - mehr kann sie aufgrund der Gesetzeslage nicht tun.
Die Eltern versuchen derweil, über private Kontakte dafür zu sorgen, dass die Fotos aus dem Netz verschwinden. Laras Freund Basti (Niklas Nißl) macht (vorerst) mit ihr Schluss, sie wird von Schulkameraden gemobbt und versucht sich umzubringen. Der - zeitweise ins Illegale abgleitende - Kampf scheint ebenso aussichtslos zu sein wie die Polizei offenbar machtlos ist - als Kommentar ist von dort nur ein "Im Internet fährt keiner Streife" zu hören. Charlotte sucht beharrlich Frauen, denen ähnliches widerfahren ist, um Verbündete zu haben - und sie findet sie insbesondere in Amal (Jasmina Al Zihairi).
Der Regisseur Jan Martin Scharf (43, "Weinberg", "Friesland") ist Autor der Serie "Club der roten Bänder" (Vox). "Man muss immer mehr aufpassen", sagte Scharf der Deutschen Presse-Agentur. "Auch und gerade auf die Sicherheit im Netz - also welcher Cloud vertraue ich welche Daten an, was für Passwörter benutze ich, und so weiter. Man hat vielleicht wirklich nichts zu verbergen, aber private Fotos oder Informationen in fremden Händen können ganz schnell gegen einen verwendet werden." Ein IT-Sicherheitsexperte habe ihm erklärt, einer Cloud zu vertrauen, ist, wie sein teures Handy offen im Auto in einer wirklich schlechten Gegend herumliegen zu lassen. "Klar ist es illegal, das zu klauen. Es ist aber auch sehr einfach, der Schaden ist immens - und der Täter hat wenig zu befürchten."
Der Film ist ein starker Frauenfilm, gebündelt in der dominierenden Mutterfigur, die Felicitas Woll eindrucksvoll verkörpert, während Martin Gruber als Vater dagegen erstaunlich blass bleibt. Behandelt werden Fragen wie die, was jeder von uns freiwillig im Internet aus seinem Privatleben preisgibt, und wie gedankenlos wir alle im Netz miteinander umgehen.
So ganz wehrlos wie in diesem Film ist man in Wahrheit sicher nicht. Als Vorlage für Laras Geschichte diente auch das Schicksal der kanadischen Schülerin Amanda Michelle Todd (15), die von einem unbekannten Täter jahrelang mit Nacktfotos im Netz erpresst und durch Mobbing-Attacken in den Selbstmord getrieben wurde. Soweit kommt es in diesem Film zwar nicht (ein Todesfall ist dennoch zu beklagen), aber das - etwas zu tränenrührige Ende - bietet keinerlei Anlass zu der Hoffnung, dass sich das schreckliche Verhalten vieler Menschen im Internet zum Besseren wenden möge.