Orgelsanierung 70 Jahre Stille durchbrechen
Die seltene Herbst-Orgel der Schlosskirche Erxleben wird erneuert. Doch die Sanierung ist eine langer und teurer Weg.
Erxleben l Es ist ein bitterkalter Wintertag, an dem Hildegard Bernick in der Schlosskirche Erxleben ausharrt. Eine Thermoskanne Tee hat sie sich mitgebracht und einen dicken Mantel angezogen. Sie stützt sich auf eine Krücke, wegen der Glätte. Sonst ist die 76-Jährige noch gut zu Fuß. Und viel unterwegs. Meist auf einer Mission: Geld sammeln für die Restaurierung der Erxleber Kirchenorgel. Die schweigt seit den Vierziger Jahren. 300 000 Euro brauchen Hildegard Bernick und der Förderkreis der Kirche, damit die 300 Jahre alte Orgel 2019 wieder erklingen kann. „Wir sind auf Jahrzehnte mit Aufgaben beschäftigt”, sagt Hildegard Bernick.
Heute wartet sie auf die zweite Klasse des Grundschule Beverspring, die zu einer Führung vorbeikommt. „Das müssen sie sein”, sagt sie, als draußen lautes Geschrei erklingt und Schneebälle durch die Luft fliegen. Obwohl die Jungen eben noch aufgekratzt waren, hören sie angestrengt zu, als Hildegard Bernick von den Burgen und Grafen erzählt, die es früher in der Börde gab. „Warum steht da, dass 22 000 Euro gespendet wurden?“, fragt der achtjährige Jakob Horsika. Hildegard Bernick erklärt: „Unsere Orgel ist kaputt, eigentlich brauchen wir 300 000 Euro, damit sie repariert wird.“ „Das ist ja mehr, als ein Haus kostet“, kommt es zurück.
Selbst die Grundschüler verstehen, welcher Mammutaufgabe sich Hildegard Bernick und ihre Mitstreiter angenommen haben. Für den ersten Bauabschnitt sammelte der Verein 30 000 Euro, weitere 30 000 kamen vom Land, 22 000 aus der Lotto-Förderung. Vier weitere Abschnitte sollen folgen. Hildegard Bernick erhielt beim Schreiben der Förderanträge auch einige Absagen. „Viele große Stiftungen sagen: ‘Ach, Kirchenorgeln, das haben wir vor zehn Jahren gefördet.‘“
Erxleben hinkt etwas hinterher. Die Katholische Kirche hielt Gotteshaus und Orgel bis 1996 unter Verschluß. „Deswegen war diese Kirche früher ein geheimnisvoller Ort“, sagt Hildegard Bernick, die aus dem Erxleber Ortsteil Uhrsleben stammt. Zu DDR-Zeiten verschlug es sie nach Magdeburg. Mit dem alten Heimatort blieb sie eng verbunden.
Doch die Orgel ist nicht nur ein Stück Heimatgeschichte, sondern auch ein seltenes Zeitdokument. Das barocke Instrument ist eines der letzten erhaltenen der Orgelbaufamilie Herbst aus Magdeburg. Zwei weitere gibt es noch, im mecklenburgerischen Basedow und im bayerischen Lahm. Wenige erhaltene Herbstorgeln bedeuten wenige Anhaltspunkte für den Restaurator der Erxleber Orgel. „Wir sind immer noch am Knobeln“, beschreibt der Salzwedler Orgelbauer Jörg Dutschke den Prozess, den er und seine vier Mitarbeiter durchlaufen. Die Orgel wurde beschädigt, mehrfach umgebaut, der Vertrag über die Originalform ging verloren. Jetzt sucht Jörg Dutschke nach Nagellöchern und ausgeblichenen Stellen im Holz, um zu verstehen, wie die Herbstorgel einmal aussah.
Nur eins ist für ihn sicher: „Die Orgel wird einen umwerfenden Klang haben.“ Ob er 2019 wirklich fertig wird, hängt davon ab, ob das Geld jedes Jahr zusammenkommt. Dafür sammeln die 30 Mitglieder des Förderkreises weiter, unter anderem mit einer Konzertreihe. Musiker aus ganz Deutschland und dem Ausland reisen dafür an. Allerdings im Sommer. Dann, wenn keine Minusgrade in der kleinen Kirche in Erxleben herrschen.