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„Alice Cooper for President“

Der Schockrocker ist 76, doch auf der Bühne macht er keine Abstriche. Am Dienstagabend begeistert er seine mitteldeutsche Anhängerschaft in der Jungen Garde in Dresden.

Von Uwe Kreißig 03.07.2024, 23:40
Alice Cooper am 1. Juli dieses Jahres bei seinem Konzert in Nürnberg.
Alice Cooper am 1. Juli dieses Jahres bei seinem Konzert in Nürnberg. Foto: imago

Dresden/VS. - Aus seiner kleinen Gilde – jener der Schockrocker – ist er vermutlich der letzte, der noch weltweite Touren mit Lust und Freude auf sich nimmt. Und „verboten in Deutschland“, wie es auf einem Banner heißt, das von den Traversen hängt, war er noch nie.

Das Publikum fühlt sich daher bei Alice Cooper, der seit sechs Jahrzehnten auf der Bühne steht, geborgen und bekommt genau das geboten, was es erwartet. So und nicht anders unterhält Alice Cooper mit seiner Band am Dienstagabend das Publikum in der Jungen Garde in Dresden.

Selbstverständlich spielen sie Klassiker wie „No more Mr. Nice Guy“ und seinen Überhit „Poison“, mit dem er 1989 seine triumphale Rückkehr in den Rock-Circus endgültig und dauerhaft erzwang. Dass er eine Folie zuerst für Ossy Osbourne wie später für Rammstein war, ist unstrittig.

Auf der Bühne wird Cooper noch immer in die Zwangsjacke gesteckt, in verschiedenen Szenen wird Gewalt vorgetäuscht, später rollt der Henker die Guillotine auf die Bühne und Coopers Kopf fällt zum 1000. Mal.

Beim Pastorensohn, gläubigen Christen und Familienvater, der bürgerlich Vincent Damon Furnier heißt und eine lange, skandalfreie Ehe führt, ist auf den ersten Blick gar nichts „politisch korrekt“. Doch bei genauerer Überlegung sind die Bühnenszenen ein Spiegel der ausufernden Gewalt, die sich wie Mehltau über die westlichen Gesellschaften legt – obwohl diese doch nach Meinung der Eliten immer fairer, gerechter, wohltätiger. idealistischer und diverser werden sollen.

Coopers Show ist austariert, erprobt. Politische Belehrungen kommen bei ihm nicht vor, weder in Medien noch von der Bühne. „Ich glaube, dass Rock 'n' Roller ihre Bekanntheit nicht nutzen sollten, um anderen zu erzählen, wen sie wählen sollten“, sagte Cooper erst vor wenigen Tagen über die wieder um sich greifende Unsitte, dass privilegierte Künstler normalen Menschen unentwegt Ansagen machen, was richtig ist und wie sie jetzt handeln müssen.

„Politik und Musik passen in meinen Augen nicht zusammen. Während Politiker sich beruflich mit den Problemen der Welt auseinandersetzen müssen, sorgen Musiker dafür, dass die Leute dieser Welt mal für einen Augenblick entfliehen können. Und ganz ehrlich: Nur weil ich berühmt bin, habe ich doch nicht mehr Ahnung von Politik als irgendjemand sonst“, hatte Cooper bereits im Jahr 2021 in einem Interview mit der „Zeit“ geäußert.

Die Interaktion mit seinen fünf Musikern ist eine ungeübte, souveräne Angelegenheit. Die vier Männer und Gitarristin Nita Strauss, als hätte man sie zwischen den Clubs „Viper Room“ und „Whisky a Go Go“ in West Hollywood nach optischen Kriterien gecastet, doch ihre beste Seite ist ihr musikalisches Können. Und auch wenn das Publikum in Dresden einen höheren Altersdurchschnitt aufweist, finden sich etliche jüngere Anhänger in den Reihen. Dies hat auch damit zu tun, dass Cooper weiß, was man seinem Publikum schuldig ist und wie man es verjüngen kann: „Man muss jede Show spielen, als sei es die letzte; jede Platte aufnehmen, als sei sie dein Vermächtnis. Wenn du diesem Leitsatz folgst, folgt dir auch dein Publikum.“

Dass er mit seiner Kooperation „Hollywood Vampires“, die er 2015 mit Schauspiel-Superstar Johnny Depp und Aerosmith-Gitarrist Joe Perry aus der Taufe hob, inzwischen eine Supergroup betreibt, die große Hallen problemlos füllen kann, hat zudem seinen Nimbus als Legende gestärkt.

Gegen Ende des Abends geht Cooper dann doch noch in die Politik – mit der ihm eigenen Ironie. „Alice Cooper for President“ heißt es auf den Bildschirmen. „Ich bin ein aufgewühlter Mann für aufgewühlte Zeiten. Ich habe keinen Schimmer von dem, was ich tue, also sollte ich gut reinpassen“, verbreitete er zuvor in einer Videobotschaft. Der Slogan auf dem Wahlplakat lautet „Make America sick again“ – „Amerika wieder krank machen“. Es ist unschwer zu entschlüsseln, dass er offenbar mit beiden Kandidaten bei den US-Präsidentschaftswahlen ein Problem hat.

Mit seinem Klassiker „School’s out“ schickt er sein Publikum – auch wenn es nur 90 dichte Minuten waren – erbaut in die Nacht.