Eine Figur in der Krise: Erich-Kästner-Schau in München
Emil und die Detektive oder Das fliegende Klassenzimmer - Erich Kästner ist vor allem als Kinderbuchautor bekannt. Dabei war er auch moderner Großstädter und Zweifler. Das zeigt eine Ausstellung im Münchner Literaturhaus.

München (dpa) - Erich Kästner (1899-1974) war ein Mann von bestechender Zielstrebigkeit - zumindest in den frühen Jahren.
Wenn ich 30 Jahr bin, will ich, daß man meinen Namen kennt. Bis 35 will ich anerkannt sein. Bis 40 sogar ein bißchen berühmt, schreibt er im Alter von 27 Jahren an die über alles geliebte Mutter. Seinen Plan setzt Kästner um; die Geradlinigkeit geht allerdings zuweilen verloren.
Die Ausstellung Gestatten, Kästner! im Literaturhaus München zeigt bis zum 14. Februar weniger bekannte Facetten des Schriftstellers: Kästner als Zweifler und als Identitätssuchender. Der große Kinderbuchautor (Emil und die Detektive) und Lyriker (Sachliche Romanze) ist eine Figur in der Krise, wie Kuratorin Karolina Kühn am Donnerstag sagte.
Als seine Bücher 1933 von den Nazis verbrannt werden, hat Kästner bereits große Erfolge gefeiert. Der Emil ist veröffentlicht, ebenso der Großstadt-Roman Fabian oder der Gedichtband Herz auf Taille. Kästner hätte emigrieren können, vielleicht sollen - und entscheidet sich doch dagegen. Aus Liebe zu seinen Eltern? Aus Leichtsinn? Oder, wie Kästner später selbst sagen wird, weil er als Chronist wirken wollte? Über die Gründe urteilt die Ausstellung nicht, zeigt derlei Brüche jedoch emphatisch auf.
Was folgt, ist eine Zeit zwischen Unterhaltungsliteratur und Selbstverlust. Kästner schreibt, für die Schublade zwar, über Doppelgänger, Selbstmord und die Suche nach Identität. Es ist eine Zeit der inneren Entfremdung. Oder bin sogar ich mir selbst fremd geworden? Mitunter habe ich das Gefühl, heißt es 1940 in Briefe an mich selber.
Gleichzeitig ist Kästner ein moderner Denker, der sich zur Vermarktung aller verfügbarer Medien bedient. Auch der Emil zeigt den Sohn aus einfachem Hause als modernen Mann - von der Großstadt gleichermaßen angezogen und abgestoßen. Und von allen Seiten Straßenbahnen, Fuhrwerke, zweistöckige Autobusse! (...) Das war also Berlin. Die große Stadt als Ort der Handlung, Kinder als verantwortungsvoll Handelnde - das ist neu.
Wer - die Kinderbuchklassiker Das doppelte Lottchen oder Das fliegende Klassenzimmer im Kopf - eine Schau vor allem für Kinder erwartet, liegt falsch. Die Ausstellung kommt zwar multimedial daher - so erzeugen Filmaufnahmen auf mannshohen Würfeln die betriebsame Atmosphäre der Großstadt, und es sind Original-Tonaufnahmen von Kästner zu hören. Wesen und Biografie des Autors lassen sich allerdings nur durch eine intensive Auseinandersetzung mit den Exponaten erschließen.
Zu kurz kommt allerdings auch der Kinderbuchautor nicht. Das Manuskript von Emil und die Detektive ist zu sehen, ebenso Illustrationen seiner Werke. Eine Wand vereint etliche Cover seiner Kinderbücher.
Den Namen Kästner kennt heute, 89 Jahre nach dessen Brief an seine Mutter, fast jeder. Gestatten, Kästner! bietet derweil viele Aspekte, durch die das gängige Bild ergänzt werden kann.