Anatomie Goethe staunte über Meckelsche Sammlung
Die Medizinerdynastie Meckel hat in Halle eine große anatomische Sammlung aufgebaut. Ein Buch des Verlags Stekovics erzählt von der Familie.
Halle l Natürlich darf in diesem Buch nicht der in Anatomie-Kreisen bekannte Meckel-Schrank fehlen. Philipp Friedrich Theodor Meckel, der Arzt und Anatom, der 1779 an der Halleschen Universität die Professur für Anatomie, Chirurgie und Geburtshilfe antrat, 1803 im Alter von 47 Jahren gestorben verstorben war, hatte das Sezieren und Skelettieren des eigenen Körpers verfügt. Mit seinem Skelett im verschließbaren Schrank hat er sich selbst zum Gegenstand seiner Sammlung gemacht. Das zeigt deren Stellenwert in seinem Leben.
Sein Vater Johann Friedrich Meckel d.Ä., einst Direktor der Berliner Akademie, hatte ursprünglich die Sammlungen begründet. Erst der Sohn, dann der Enkelsohn mit gleichem Namen wie der Sammlungsbegründer, aber mit Zusatz-Verweis auf „der Jüngere“, hatten das Erbe fortgeführt. Ansehen und Umfang des Kabinetts wuchsen. Selbst Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe ließ sich 1802 durch die Sammlungen führen, die zu jener Zeit schon mehr als 3000 Präparate umfasste. Wenig später bezeichnete Alexander von Humboldt Meckel d. J. als den „größten Anatomen unseres Zeitalters“.
12.000, wahrscheinlich sogar 16.000 Präparate sollen einst zum Bestand gehört haben. 1837, als dieser private Bestand an die hallesche Universität verkauft wurde und Umzüge nötig waren, gingen Teile verloren.
Heute umfassen die historischen Meckelschen Sammlungen am Institut für Anatomie und Zellbiologie der Luther-Univerität 8000 Arbeiten. Der historische Fundus, der Medizinstudenten bis heute den menschlichen und tierischen Körper mit seinen anatomischen Besonderheiten bis hin zu Fehlbildungen aufzeigt, wurde 2015 in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts aufgenommen. Die Lehr- und Forschungssammlung steht damit unter besonderem Schutz.
Doch wer kennt die Meckelschen Sammlungen? Medizinstudenten wissen um deren Geschichte und deren Bedeutung. Aber sonst. „Ich glaube, es ist wichtig, dass man gerade die jüngere Generation darauf hinweist, welche Kulturschätze hier eigentlich existieren“, erklärte Rüdiger Schultka dem MDR-Sachsen-Anhalt, als im Dezember seine fasst 600-Seiten-Abhandlung über die Meckelschen Sammlungen vorgestellt wurde.
Schultka, der Anatomie-Professor, der in seinem Studium an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg einst selbst an den Präparaten lernte, später dann sechs Jahrzehnte am Institut in Halle arbeitete, jahrelang dessen Leiter war, hat die Geschichte der Sammlungen studiert. Mit seinem großen Wissen schreibt er äußerst detailliert über die Familiengeschichte und die Nach-Meckel-Zeit, erklärt Präparate, Techniken, Anatomieunterricht, geht auf die Rolle des Instituts in der NS-Zeit ein.
Verleger und Fotograf Janos Stekovics aus Dößel im Saalekreis hat für den Band zahlreiche Präparate wie im Fotostudio ausgeleuchtet. Zwei, drei Wochen war er Tag und Nacht vor Ort, um Organe und Schädel im Bild festzuhalten: Zunge, Gaumenmandeln, Kehlkopf als Feuchtpräparat im Glas, die Hufeisenniere eines Kindes, die am Metallstativ montierte Rückenmuskulatur, Schränke mit Schädeln von Großsäugern und Vogelskeletten, Lymphgefäße der Gallenblase mit Quecksilber gefüllt, ein Embryo, der in der Fruchtblase im Fruchtwasser schwimmt – bis hin zu Hirnbruch und Missgeburt. Bei Nicht-Medizinern wirkt manches konservierte Organ etwas furchteinflößend.
Fachleute und Studenten schätzen Schultkas aufgeschriebenes Wissen. Das Vorgängerbuch „Das vorzüglichste Cabinett“ hat der Stekovics-Verlag schon in dritter Auflage erscheinen lassen. Mit beiden Büchern hat der Anatomieprofessor „seinen“ Sammlungen ein Denkmal gesetzt.
Rüdiger Schultka: Die Meckelschen Sammlungen. 592 Seiten, 272 meist farb. Abb., Verlag Janos Stekovics, 49,80 Euro.