Literatur Magdeburger Schriftsteller Schmidt ist tot
Mehr als 100 Bücher hat der Magdeburger Autor Hanns H. F. Schmidt geschrieben. Jetzt ist er im Alter von 82 Jahren gestorben.
Magdeburg l Wenn man sich mit Hanns H. F. Schmidt traf, dann wusste man um die Zeit, die mitzubringen ist. Denn mit ihm konnte man sich so wunderbar austauschen. Über alles. Die Welt, die Musik, die Literatur, die Regionalgeschichte. Sein Witz, sein Humor, sein Wissen, das machte seinem Gegenüber Freude. Schmidt, der gefühlte Alleswisser, der einem nie oberlehrerhaft zeigte, sondern einen mitnahm in seine Geschichten, die er gerade wieder ausgegraben hatte. Ein Leben lang war er für sein Wissen unterwegs, erkundete Landschaften und Dörfer, recherchierte in Archiven, Bibliotheken, Museen. Was er erfuhr, wurde zu Texten, veröffentlicht in mehr als 100 Büchern.
Zuerst schrieb er literarische Reportagen. Da hatte er schon Schüler unterrichtet, doch der Beruf des Lehrers, Musik und Mathe hatte er in Halle studiert, war dann doch nicht das Erfüllende. Das Schreiben war seine Welt. Für das zog er aus, nicht in die Weite, vielmehr in die Altmark, noch zu Fuß, weil er in den 1970er Jahren kein Fahrrad und kein Auto hatte. Doch per pedes unterwegs zu sein, ermöglichte ihm viel mehr, die Blicke an den Wegesrand zu richten, dorthin, wo die Geschichten förmlich vor ihm lagen und nur noch aufgelesen werden mussten. „Was ich erlebt und gehört habe, habe ich aufgeschrieben“, sagte er in einem Volksstimme-Gespräch zu seinem 80. Geburtstag. Man müsse nur zuhören und beobachten. Der in Walkenried im Südharz geborene Schmidt, der in Halberstadt aufwuchs, hatte diese Gabe. Sie war Grundstock für seine Texte. Wer sie kennt, der weiß, wie er es vermochte, dem Alltäglichen eine Stimme zu geben.
Schmidt machte sich dafür immer wieder auf den Weg. Die Börde und Magdeburg, ganz Mitteldeutschland erkundete er, auch die Ostsee, Thüringen, die Mecklenburger Seenplatte. Er hat über Handwerker und Bauern geschrieben, über berühmte Frauen und Männner aus Sachsen-Anhalt, über Rezepte und Eisenbahnen, über bekannte Kirchen und weniger bekannte Sagen, über Skandale und Frivoles. Seine kleinen Lesebücher, erschienen im Tauchaer Verlag, sind wahre Fundgruben an Geschichte und Geschichten. Er hat verschollen Geglaubtes wieder zu Tage gefördert.
Wer meinte, sich regional gut auszukennen, der musste nur Hanns H. F. Schmidt lesen, um eines Besseren belehrt zu werden. Zu seinen Protagonisten wurden die Fahrzeuge der Selketalbahn, die man vergeblich versuchte, mit Schießpulver anzutreiben oder das Wirtshaus „Zum blanken Arsch“ am Huy. Mit jedem Protagonisten bewahrte er heimatliche Identität.
Wenn man ihn fragte, wie viele Geschichten er denn so zeitlebens aufgeschrieben habe, dann schaute er etwas ratlos drein. Eines aber wusste er genau: Mit dem mathematischen Kinderbuch „Kein Ärger mit der Algebra“ – 1966 im Kinderbuchverlag erschienen – hat sein selbständiges Schriftstellerleben angefangen.
Es sollte nicht sein einziges Kinderbuch bleiben. Überhaupt haben die Schmidts, Ehefrau Eleonore immer mit dabei, jede Menge für Kinder unternommen. In der Altmark, wo beide im Örtchen Püggen ein kleines Fachwerkhaus kauften, gab’s Puppentheater. Stück, Puppen, Ausstattung – aus Schmidt’scher Hand.
Und dann war da noch die Musik, die er liebte und über die man sich mit ihm ebenso angeregt unterhalten konnte wie über Literatur. Viele Menschen kennen ihn aus Konzerten, die er gab, und als Komponisten. Auch für Musik, seine zweite große Leidenschaft, wurde er nicht müde, Stücke in Archiven aufzuspüren und auf die Agenda zu setzen. Er wollte Vergessenes in unser Bewusstsein rücken und er wollte, dass manches gar nicht erst in Vergessenheit gerät. Wie die Bomben auf Halberstadt.
Am Donnerstag, 26. September 2019, ist Hanns H. F. Schmidt gestorben. Ein nahestehender Bekannter sagt, er werde auf dem Waldfriedhof Püggen seine letzte Ruhestätte finden. In der Altmark also, wo Schmidts unermüdliches Schreiben den Anfang nahm.