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Römisches Reich Mehr als Caesarenwahn: die Antike im Bücherherbst

Für diejenigen, die auch im Jahr 2024 noch dreimal am Tag ans Römische Reich denken, hält der Literaturherbst einige Leckerbissen parat. Welche drei Bücher besonderes Augenmerk verdienen.

Von Sebastian Fischer, dpa 10.11.2024, 08:30
Caligula (l) und Claudius sind zwei der berühmtesten Kaiser Roms. (Archivbild)
Caligula (l) und Claudius sind zwei der berühmtesten Kaiser Roms. (Archivbild) picture alliance / dpa

Berlin - Das Alte Rom hat offenbar noch nichts seiner Anziehungskraft eingebüßt. Mehrere Buchverlage haben Sachbücher über das antike Imperium in ihr aktuelles Programm genommen. Dabei ziehen so große Männer wie Caesar, Augustus oder Caligula, aber auch Namen abseits traditioneller Sandalenfilme geraten in den Fokus. Drei Neuerscheinungen:

Neuer Blick auf einen der berühmtesten Morde der Antike

Zuletzt hat der Althistoriker Michael Sommer von der Universität Oldenburg mit seinen Büchern vermehrt das breite Publikum ins Visier genommen. In „Dark Rome“ (2022) etwa beleuchtete er das Leben der römischen Gesellschaft in den eher anrüchigen Ecken des Reiches. Auf ein vielen sicher bekannteres Terrain begibt sich der 54-Jährige in seinem neuen Buch „Mordsache Caesar“ über einen der bedeutendsten Tyrannenmorde.

Auch wenn es laut Titelblatt angeblich um „die letzten Tage des Diktators“ gehen soll, bettet Sommer das Attentat vom 15. März 44 vor Christus als Höhepunkt in die jahrhundertelange Geschichte der Römischen Republik und deren Ende ein.

Dem Wissenschaftler geht es nicht um die Täter (sie sind ja bekannt), sondern um deren Motive. Wie ist der Mord vor dem Hintergrund der Abwehrhaltung republikanischer Eliten gegen jeden, der sich zur Alleinherrschaft aufschwingen wollte, zu sehen? Den Anschlag auf Caesar, von dem antike Historiker wie Plutarch oder Sueton Zeugnis geben, behandelt Sommer als klassischen Kriminalfall: Intrige, Attentat, Tod und die Folgen.

„SPQR“-Autorin widmet sich jetzt Kaiserkult und Caesarenwahn

Das neue Buch von Mary Beard ist auch etwas für Leute, die bisher gerade nicht allzu häufig ans alte Rom gedacht haben. Denn die 69-jährige Wissenschaftlerin aus dem britischen Cambridge, die zu den wichtigsten Köpfen in der Altertumswissenschaft und zu den einflussreichsten Intellektuellen ihres Landes zählt, holt mit ihrem sehr unterhaltsamen „Die Kaiser von Rom“ auch all diejenigen ab, die Titus, Trajan oder Caracalla vielleicht eher mit Bauwerken in der Ewigen Stadt in Verbindung bringen als mit ihren kaiserlichen Taten.

Statt eines chronologischen Berichts der ersten knapp 30 Regenten Roms (von Augustus, der 27 vor Christus an die Macht kam, bis zum Tod von Severus Alexander im Jahr 235 nach Christus) geht die Autorin thematisch vor: Sie erzählt die Anekdoten anhand kaiserlicher Dinnerpartys oder ihrer riesigen Villen. Mit dabei sind natürlich berühmte Herrscher wie Caligula, der angeblich sein Pferd zum Konsul habe machen wollen, oder Nero, der Rom in Brand steckte. Aber auch die Grausamkeiten des extravaganten Teenagers Elagabal kommen zur Sprache, der im dritten Jahrhundert für wenige Jahre herrschte. Er soll bei einem Dinner viele seiner Gäste unter einem Meer von Rosenblättern erstickt haben. 

Beard, die außerhalb Großbritanniens besonders mit ihrem modernen Klassiker „SPQR“ (2015) bekannt wurde, verweist in ihrem wirklich einnehmenden Stil aber auch immer wieder darauf, dass viele dieser kaiserlichen Absurditäten, Eskapaden, Orgien oder Schandtaten sicher auf Übertreibungen der antiken Geschichtsschreiber beruhen, um die Imperatoren entweder besonders gütig oder besonders frevelhaft erscheinen zu lassen.

21 Frauen in zwölf Jahrhunderten römischer Herrschaft

Die römische Geschichte konzentriert sich meist auf große und siegreiche Männer. Doch die traditionellen Hauptfiguren des Imperiums stehen bei Emma Southon nicht im Mittelpunkt. Denn die 41-jährige Althistorikerin versucht in „Eine Geschichte des Römischen Reiches in 21 Frauen“ einen großen Bogen um die Herren zu machen. Ob von Geschäftsfrau, Sexarbeiterin, Priesterin, Dichterin oder Heiliger: Die Britin bietet einen weiblichen Alternativ-Blick.

Die Autorin erzählt etwa von Julia, der gehorsamen Tochter des ersten Kaisers Augustus, die über arrangierte Ehen zum politischen Spielball ihres Vaters wurde, deren recht unkeuscher außerehelicher Lebensstil aber umso weniger zu dessen Sittengesetzen passte. Oder von der Herrscherin Zenobia aus der Oasenstadt Palmyra (heute Syrien), deren Streitkräfte im dritten Jahrhundert allzu gefährlich für Rom wurden.

Southons zugänglicher Ton richtet sich hauptsächlich an Laien. Ihr 500-Seiten-Wälzer führt ohne Vorwissen durch die Jahrhunderte zwischen der Gründung Roms (753 vor Christus) und dem Untergang des Weströmischen Reiches (476 nach Christus). Bei 1.200 Jahren bleibt das Buch zwangsläufig oberflächlich: Die Komplexität römischer Machtgefüge zu erklären tritt meist hinter Southons feministischen Ansatz zurück: zu zeigen, welche Frauen ihrer Ansicht nach zum Werden des Imperiums und zum Verständnis der Größe Roms beitrugen.