Nachlass eines Wunderkinds "Neue" Geschichten von F. Scott Fitzgerald
"Der große Gatsby" brachte dem Schriftsteller F. Scott Fitzgerald Weltruhm. 75 Jahre nach seinem Tod sind nun einige seiner Kurzgeschichten zum ersten Mal veröffentlicht worden. Sie zeigen einen ganz anderen Fitzgerald als den der frühen Erfolge.
Berlin (dpa) - F. Scott Fitzgerald war einmal das Wunderkind der amerikanischen Literatur. Als sein erster Roman "Diesseits des Paradieses" 1920 erschien, war er gerade 23 Jahre alt. Auf einmal hatte eine neue Generation, die nicht mehr an die Werte der Eltern glaubte, eine Stimme gefunden.
Fitzgeralds Kurzgeschichtensammlung "Geschichten aus dem Jazz Age" gab einem ganzen Jahrzehnt einen Namen, und in seinem bekanntesten Roman "Der große Gatsby" schuf er 1925 ein Porträt eines Lebensstils geprägt von ausschweifenden Vergnügungen und inhaltlicher Leere.
Aber schon mit 30 Jahren schien Fitzgerald das Ende seiner Schaffenskraft erreicht zu haben. Während seine Altersgenossen Ernest Hemingway, John Dos Passos und William Faulkner erfolgreiche Romane veröffentlichten, versank Fitzgerald in einer tiefen Schaffenskrise. Belastet von seiner Alkoholabhängigkeit und den zunehmenden psychischen Problemen seiner Frau Zelda brauchte er neun Jahre, um seinen nächsten Roman zu veröffentlichen - und musste dann feststellen, dass "Zärtlich ist die Nacht" kaum Leser fand.
Das Geld für seinen aufwendigen Lebensstil verdiente er über zwei Jahrzehnte hinweg damit, dass er Kurzgeschichten an Zeitschriften verkaufte. In einer Zeit, in der es noch kein Fernsehen gab und auch das Radio nur ein begrenztes Angebot lieferte, waren Magazine wie der "New Yorker" und die "Saturday Evening Post" ein wichtiges Unterhaltungsmedium. Die Zeitschriften buhlten um die Geschichten namhafter Autoren, und Fitzgerald war trotz aller Probleme gut im Geschäft.
Mehrere Dutzend Erzählungen konnte Fitzgerald bis zu seinem Tod im Jahre 1940 an Zeitschriften verkaufen, für Preise von bis zu 4000 Dollar pro Geschichte. Die meisten dieser Erzählungen wurden gedruckt, gelesen und vergessen, sobald die nächste Ausgabe des Magazins erschien.
Bücher konnte Fitzgerald keine mehr veröffentlichen. Sein Hollywood-Roman "Der letzte Tycoon" blieb unvollendet. Das vielversprechende Fragment erschien erst nach seinem Tod. Der Literaturwissenschaftler Matthew Bruccoli stellte 1979 die nur in Zeitschriften veröffentlichten Geschichten in dem Band "The Price was High" zusammen. Damit schien Fitzgeralds Gesamtwerk verfügbar.
Nun sind jedoch weitere Erzählungen von F. Scott Fitzgerald veröffentlicht worden. Insgesamt 18 Texte aus Fitzgeralds Nachlass hat die Herausgeberin Anne Margaret Daniel zusammengetragen und unter dem Titel "Für dich würde ich sterben" veröffentlicht.
Die Auftaktgeschichte "Spielschulden", eine Satire auf das Literaturgeschäft, und wohl auch die Schlussgeschichte "Das Ehepaar" stammen aus den 20er Jahren, die anderen Erzählungen aus Fitzgeralds letztem Lebensjahrzehnt. Sehr deutlich wird hier, unter welch großem wirtschaftlichen Druck der Autor stand. Fitzgerald hatte sich angewöhnt, all seine Ideen aufzuschreiben, in der Hoffnung, daraus eine Erzählung machen zu können, die sich verkaufen ließ.
Die Geschichten waren von Fitzgerald zur Veröffentlichung vorgesehen, hatten aber, wie aus seinen Briefen und Tagebüchern hervorgeht, die verantwortlichen Redakteure in den Zeitschriften nicht überzeugt. Wenn man die Karriere von F. Scott Fitzgerald kennt, ist das keine große Überraschung. Der Name Fitzgerald war verbunden mit beschwingten, oft leicht ironischen Geschichten über junge Leute. Die düstere Weltsicht der späteren Geschichten widersprach diesem Image so sehr, dass Magazine häufiger ablehnten.
Die Titelgeschichte ist ein treffendes Beispiel für dieses Problem. "Für dich würde ich sterben" entstand im Jahr 1935, als Fitzgerald dringend Geld für die Behandlung seiner Frau benötigte. Die Geschichte, die sich um ein Filmteam in den Bergen von North Carolina dreht, ist düster. Das wiederkehrende Motiv Selbstmord sorgt nicht gerade für Unterhaltung.
Seinen besonderen stilistischen Touch hat sich Fitzgerald über die Jahre jedoch bewahrt: "Sie hatte ein reizendes, unzufriedenes Gesicht - falls diese Verbindung möglich sein sollte. Es war sehr amerikanisch und ziemlich traurig, spiegelte die ewige Hoffnung, jemand wie die berühmte Schauspielerin zu sein, ohne über das Talent oder die Selbstdisziplin zu verfügen, die starke Individuen auszeichnen."
Ähnlich verhält es sich mit den anderen Geschichten der Sammlung. Fitzgerald hielt sie für veröffentlichungswert. Dass dieses Vorhaben scheiterte, lag an ihrem mangelnden Unterhaltungswert, nicht etwa an fehlender literarischer Qualität. Die Erzählungen zeigen einen F. Scott Fitzgerald, der in seinen letzten Lebensjahren trotz aller Probleme ein hochbegabter Schriftsteller war. Sein Weg zum "Letzten Tycoon" wird durch dieses Buch deutlich.
- F. Scott Fitzgerald: Für dich würde ich sterben. Herausgegeben von Anne Margaret Daniel. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg, 492 Seiten, 25,00 Euro, ISBN 978-3-455-00007-8.