Ursula Ackrill und ihr unerwartetes Romandebüt
Nottingham Bis vor kurzem sagte der Name Ursula Ackrill in der deutschen Literaturszene wohl niemandem etwas. Aber kaum erschien der erste Roman der 1974 geborenen Autorin, da stand er auch schon auf der Shortlist für den Leipziger Buchpreis.
In "Zeiden, im Januar" erzählt sie von den Siebenbürger Sachsen im Nationalsozialismus, einer deutschsprachigen Minderheit, die dem Versprechen auf Heimat und Zugehörigkeit in Hitlers Reich erliegt. Es geht um Schuld und Opportunismus.
Ackrill arbeitet als Bibliothekarin in Großbritannien. Ihr Manuskript schickte sie im vergangenen Jahr unverlangt an mehrere Verlagshäuser, der Wagenbach-Verlag meldete sich zurück. Der Roman erschien im Januar. Es ist ein ungewöhnlicher Werdegang als Schriftstellerin. Sie selbst sagt über sich: "Schreiben ist mein Leben. Das tue ich am liebsten."
Sie kehrt mit ihrem Roman zumindest geografisch zu den Wurzeln ihrer eigenen Biografie zurück. Ackrill stammt aus Kronstadt in Siebenbürgen, besuchte dort als Kind eine deutsche Schule. Von Heimat will sie aber nicht sprechen. Sie sei post-ethnisch. "Ich habe kein eigentliches Heimatgefühl. Heimat ist belanglos für mich."
Ihre Familie wanderte nach Deutschland aus. Sie studierte Germanistik und Theologie in Bukarest. 1998 ging sie nach Großbritannien, lernte einen Mann kennen und heiratete ihn. Heute lebt sie in einer Vorstadt von Nottingham und arbeitet für die dortige Grafschaft im Umland als Bibliothekarin. Der Brotjob ermögliche es ihr, ein gewisses Gleichgewicht zu halten, sagt sie. "Ich komme mit Leuten in Kontakt, die ich sonst nie treffen würde." 2011 schloss sie die Recherchen für das Buch ab, arbeitete von da an in Teilzeit und schrieb vormittags an ihrem Roman.
Dass sie sich für Großbritannien entschieden habe, sei Zufall gewesen. "Ich konnte mich nicht für Deutschland entscheiden. Ich bin aus Rumänien ausgewandert, das war bewusst. Aber Deutschland fand ich sehr fremd." Woher dieses Gefühl rührte, kann sie nicht genau erklären. "Ich glaube, ich hatte meine Geschichten in Rumänien noch nicht zu Ende gedacht", sagt sie. "Und das Dilemma, als Rumänien-Deutsche in Deutschland und umgekehrt als Deutsche in Rumänien zu sein, war noch lange nicht gelöst. Vielleicht hat mir England einfach den Abstand geboten, um darüber ungetrübt nachdenken zu können."
Ihre Worte wählt sie mit Bedacht, ihre Sprache ist auf eine schöne Art altmodisch, wie auch in ihrem Roman. Es klingt so, als wundere sie sich selbst ein bisschen darüber, dass sie ihn auf Deutsch verfasst hat. "Ich habe versucht, auf Rumänisch zu schreiben, ich liebe die rumänische Literatur." Aber die Ideen und Begriffe seien auf Deutsch zu ihr gekommen. "Und ich kann mein Unterbewusstsein am besten auf Deutsch angehen."
- Ursula Ackrill: "Zeiden, im Januar", Verlag Klaus Wagenbach, ISBN 978-3-8031-3268-0, 19,90 Euro.