Wenn es die DDR noch gäbe - Schwarzes Gold aus Warnemünde
Was wäre, wenn die DDR durch Erdölfunde zu riesigem Reichtum gekommen wäre? Dann wäre dort Hartmut Mehdorn ein führender Manager geworden und Karl-Theodor zu Guttenberg Wirtschafsminister.
Berlin (dpa) - Harald Martenstein und Tom Peuckert sind erfolgreiche Autoren und lange befreundet. Der erste kommt aus Westdeutschland, der andere ist in der DDR geboren. Nun haben die beiden zusammen einen Roman geschrieben, 25 Jahre nach der Wiedervereinigung.
Schwarzes Gold aus Warnemünde heißt das Produkt ihrer Zusammenarbeit und stellt die Geschichte auf den Kopf: Die DDR gibt es noch. Und nicht nur das: Das Land ist wirtschaftlich spitze, das politische System hat sich gewandelt, aber nicht durch eine friedliche Revolution, sondern durch schleichenden Opportunismus. Kulturminister ist Gregor Gysi, Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Wer das schon abgefahren findet, ist hier verkehrt.
Schon im ersten Kapitel ziehen Martenstein und Peuckert alle Register: Da gibt Günter Schabowski am 9. November 1989 seine Pressekonferenz, bei der er den Zettel aus der Tasche zieht und etwas desorientiert vorliest, was darauf steht. Doch statt die Öffnung der Grenze zu verkünden, gibt er bekannt, dass an der Ostseeküste der DDR riesige Erdölvorkommen entdeckt wurden, die nun gefördert werden sollen. Soweit ich weiß, gilt das ab sofort. Unverzüglich.
Die DDR-Bürger schwimmen bald im Geld. Die armen Brüder und Schwestern - das sind die im Westen, die als Billiglöhner in den Osten ziehen, um auf Hiddensee Broiler zu braten und sich von oben herab behandeln zu lassen. Schwarzes Gold aus Warnemünde ist satirisch und unterhaltsam, steckt voller verrückter Ideen und irrer Wendungen und hält sich nicht an die Gesetzte der Wahrscheinlichkeit.
Andererseits hat die Ausgangsfrage etwas für sich: Wie wäre es wohl mit der DDR weitergegangen, wenn sie zu einem Wohlstandsstaat entwickelt hätte? Und was wäre wohl aus der ein oder anderen Person der Zeitgeschichte aus West und Ost geworden, wenn es die DDR noch geben würde?
Gerhard Schröder wird Sprecher des Zentronik-Kombinats. Hartmut Mehdorn ist erst Manager im IT-Unternehmen Robotron, kommt dann in den Knast, wird Rettungssanitäter und anschließend Rentner in einem Altersheim in Jena. Frank Castorf lebt abgeschieden in der Uckermark und inszeniert dort den Faust - den Mephisto gibt ein ehemaliger LPG-Vorsitzender namens Werner, den Faust ein junger Neonazi namens Kevin. Katarina Witt moderiert zusammen mit Kai Pflaume die DDR-Variante des Dschungelcamps.
Sarah Wagenknecht ist Yoga-Lehrerin und zitiert beim Unterricht oft Hegel oder Lenin. DDR-Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bekommt ein Büro im 132. Stock des Karl-Liebknecht-Hauses am Alexanderplatz. Ich bin stolz auf unser Land. Im Vergleich zu vielen anderen Staaten ist die DDR eine lupenreine Demokratie, legen ihm die Autoren in den Mund.
Alles schön und gut also? Nein, auch in Martensteins und Peuckerts DDR-Vision gibt es genügend hässliche Seiten: Wohnungen bekommt man oft nur durch Beziehungen, gespitzelt wird weiter, Misstrauen ist an der Tagesordnung. Und der Sozialismus in der DDR ist nur eine Art Abklatsch des Kapitalismus mit ideologischer Fassade.
- Harald Martenstein, Tom Peuckert: Schwarzes Gold aus Warnemünde. Aufbau Verlag, Berlin, 256 Seiten, 19,95 Euro, ISBN 978-3-351-03607-2.