Oper "Die Csárdásfürstin" in Magdeburg
In Magdeburg hatte die Oper „Die Csárdásfürstin“ Premiere. Und die Inszenierung wartete mit einem nicht alltäglichen Ende auf.
Magdeburg l Vom ersten Moment an, nachdem sich der Vorhang hebt und den Blick auf eine düstere, vernebelte und fast gruftartige Szenerie eröffnet, ist man irritiert. Nichts von Glanz und Pomp der K&K-Monarchie und der großen Showtreppe des Budapester Varietés „Orpheum“, stattdessen eine lange Treppe zu einem beengten Hinterausgang. Jan Freese, der für die Bühne verantwortlich zeichnet, setzt mit diesen bedrückend anmutenden Räumen optisch höchst konsequent den Rahmen für eine Operetteninszenierung, der der österreichische Regisseur Otto Pichler teilweise dramatische Aspekte verleiht.
Was eingangs verwirrt, offenbart sich im Laufe der Handlung als eine nicht nur sehr mutige, sondern auch außerordentlich eindrucksvolle Interpretation des Stoffes. All die Musikstücke, die längst Schlager sind, die jeder mitsingen kann, darzubieten, aber gleichzeitig jede Menge Klischeemüll zu entsorgen, das zeugt von einer immens intensiven inhaltlichen Durchdringung des Stücks.
Pichler entkleidet die Handlungsstränge von verklärenden Romantisierungen bis zur nackten emotionalen Verzweiflung zwischen Liebe, Standesdünkel, Intoleranz, Doppelmoral und Gewalt. Und das alles trotzdem mit Humor, mit sehr vielen Handlungsideen und zauberhaften Kostümen (Falk Bauer).
Und dennoch war es eine Premiere, die beinahe der Grippewelle zum Opfer gefallen wäre. Mathias Schulz, Ensemblemitglied der Augsburger Co-Produktion, sprang kurzfristig für den erkrankten Magdeburger Johannes Wollrab ein und rettete den Aufführungstermin. In der Rolle des Edwin Ronald, Sohn des Fürsten Lippert-Weylersheim, ist er unsterblich in Sylva Varescu, der Starsängerin im Varieté „Orpheum“, verliebt. Judith Kuhn singt diese Titelrolle.
Beide hatten im ersten Teil der Operette die eine oder andere Abstimmungsschwierigkeit, glänzten dann jedoch kraftvoll und sängerisch überzeugend im zweiten Teil. Kraftvoll präsentierte sich auch die Magdeburgische Philharmonie unter der Leitung der polnischen Dirigentin Ewa Strusinska, die es mit ihrem Temperament den Sängern bei der Übereinstimmung von Gesang und Orchestermusik allerdings nicht leicht machte.
Die Operette benötigt, ähnlich wie das Musical, die gesamte Vielfalt aus dem Zusammenspiel aller Sparten. So ist der Opernchor des Theaters Magdeburg unter der Leitung von Martin Wagner wieder einmal in sängerischer und schauspielerischer Höchstform, macht hier und da sogar dem Ballett Konkurrenz.
Den Tänzern der Compagnie kommt dabei eine besondere Rolle in der Operette „Die Csárdásfürstin“ zu. Während sie bei den klassischen Operetteninszenierungen vor allem die großen Bälle illustrieren, übernehmen sie bei Regisseur Otto Pichler, der ebenfalls für die Choreografie verantwortlich zeichnet, eine eher satirische Kommentierung der Musik Kálmáns. So tauchen sie bei „Machen wir’s den Schwalben nach, bau’n wir uns ein Nest“, dem großen Duett zwischen Edwin und seiner vom Vater gewünschten standesgemäßen Braut Stasi, gesungen von Irma Mihelic, als das Paar umschwirrende Schwalben auf. Beim finalen Liebeslied „Tausend kleine Engel singen“ umringen sie als solche mit Federwedeln das Paar.
„Die Csárdásfürstin“, der Titel ist bereits die abwertende Bezeichnung für Frauen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus dem Rollenklischee ausbrechen, im Theater oder Varieté auftreten, und als eine Art „Femme fatal“ den Begierden der Aristokratie ausgesetzt sind. Viele von ihnen nutzen das, um durch Heirat den Aufstieg in die „bessere Gesellschaft“ zu schaffen, landen aber genau dort, wovon sie sich eigentlich befreien wollten. Das ist der soziale Brennpunkt, den die Inszenierung fast schmerzhaft dramatisch freilegt.
Regisseur Otto Pichler ändert dann auch das ursprüngliche romantische Happy End, in dem er den unverzichtbaren und auch hier wieder grandios spielenden Peter Wittig als alten Fürsten Lippert-Weylersheim zu einer dramatischen Tat veranlasst. Nachdem der erfahren hat, dass seine Frau, die er als Adlige geheiratet hat, auch einst eine so genannte Chansonette war, erschießt er seinen Sohn Edwin und dessen große Liebe, gerade als sich die beiden entgegen aller Widerstände zur Heirat entschlossen haben.
Eine unerwartete mutige Änderung, die das Wesen dieser Operette als Sittengemälde der Zeit und damit zu einer völlig neuen Qualität erhebt. Und konsequent ist es, denn Emmerich Kálmán hat sein Stück wohl auch als eine Art Abschied von einer Epoche durch den Ersten Weltkrieg gesehen.
Diese Operette ist etwas ganz Besonderes. Sie polarisiert, weshalb man sie sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte.