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75. Berlinale lockt mit Hollywoodstars ins Kino Die Nacht der Gegensätze - Ethan Hawke in der Rolle seines Lebens

Hochkarätiger geht's nicht. Ethan Hawke („Blue Moon“) und Benedict Cumberbatch („Das Ding mit Federn“) stellen beim Filmfest in Berlin am selben Tag ihre neuesten Werke vor. Beide spielen Männer in der Krise.

Von Astrid Mathis Aktualisiert: 21.02.2025, 03:18
Berlinale 2025: Der amerikanische Schauspieler Ethan Hawke präsentiert den Film "Blue Moon".
Berlinale 2025: Der amerikanische Schauspieler Ethan Hawke präsentiert den Film "Blue Moon". Foto: Astrid Mathis

Berlin. - Und auf einmal ist er da – der Film, bei dem man nicht mehr zum Luftholen kommt. „Blue Moon“. Regisseur Richard Linklater ist nach seiner „Before“-Trilogie („Before Sunrise“, „Before Sunset“, „Before Midnight“) und „Boyhood“ zum Berlinale-Wettbewerb zurückgekehrt. An seiner Seite: Ethan Hawke. Diesmal als Lorenz Hart, der Songschreiber von 1000 Liedern, 24 Jahre lang im Duo erfolgreich mit Komponist Richard Rodgers. An „Blue Moon“ kommt niemand vorbei. Nicht einmal er selbst.

Auf der Pressekonferent zu "Blue Moon" verrät Regisseur Richard Linklater (rechts):  "Das ist eine Low-Budget-Produktion. Wir konnten machen, was wir wollten."
Auf der Pressekonferent zu "Blue Moon" verrät Regisseur Richard Linklater (rechts): "Das ist eine Low-Budget-Produktion. Wir konnten machen, was wir wollten."
Foto: Astrid Mathis

Das Biopic beginnt in einer regnerischen Nacht. Lorenz „Larry“ Hart torkelt singend eine Gasse entlang und stürzt. Von der Lungenentzündung wird er sich nicht mehr erholen. Das Ende einer Musiklegende.

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Manhattan, 31. März 1943. Wir finden uns in der Premierennacht des Musicals „Oklahoma!“ wieder, für das Richard Rodgers (Andrew Scott) mit einem anderen Texter viel Lob erntet. Oscar Hammerstein II. Für Lorenz Hart einfach nicht auszuhalten. Darum stiehlt er sich in die Bar, in der später die Premierenfeier stattfinden soll: ins Sardi‘s. Mit dem Barmann liefert er sich einen Schlagabtausch der schönsten „Casablanca“-Zitate und feuert eine zynische Bemerkung nach der anderen ab. Vulgäre Pointen wechseln mit klugen Weisheiten. Das ist witzig und traurig zugleich. Hart verwickelt den Essayisten E.B. White ins Gespräch, lädt den jungen Pianisten auf seine eigene, spätere Party ein und weiß Spitzen für jedermann. Doch das alles kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier ein gebrochener Mann sitzt, der seinen letzten großen Monolog vor sich hat. Damit er den Abend übersteht, kippt er sich immer wieder einen Drink hinter, erst fast entschuldigend, dann mit einer Selbstverständlichkeit, dass man meint, man würde mit ihm zusammen gleich unterm Tisch liegen. Schnell wird klar, dass die anderen nur Statisten für ihn sind, um sein Seelenleben auszubreiten.

Der irische Schauspieler Andrew Scott wird auf dem roten Teppich von den Fans gefeiert. In "Blue Moon" glänzt er als Richard Rodgers.
Der irische Schauspieler Andrew Scott wird auf dem roten Teppich von den Fans gefeiert. In "Blue Moon" glänzt er als Richard Rodgers.
Foto: Astrid Mathis

Nein, die Tragik liegt nicht im Selbstmitleid. Lorenz Hart gibt sich so optimistisch, liebenswert und humorvoll, wie er es nur sein kann. Gegenüber der 20-jährigen Studentin Elizabeth (Margaret Qualley), die sich durch ihn einen Karrieresprung erhofft, und auch gegenüber seinem (einstigen) Freund Richard Rodgers, den er an die Anfänge ihrer erfolgreichsten Zeit erinnert. Doch sie verteilen Dämpfer. Elizabeth liebt ihn, aber „nicht auf diese Art“. Und Rodgers möchte nicht mehr mit Hart arbeiten, weil der seine Alkoholsucht nicht in den Griff kriegt. Ein kleiner Mann mit schütterem Haar, bei dem der Anzug nicht mehr sitzt und der sich unsicher durch den Raum bewegt. Er hat an beiden Enden gebrannt – daraus macht Linklater kein Geheimnis. Diese Nacht läutet den endgültigen Absturz des 47-Jährigen ein. Und dennoch: Der tragikomische Film hat dank Witz und herausragender Schauspielriege Suchtpotential. Er ist wie ein Theaterstück, das man wie im Rausch erlebt. Das ist mindestens einen Bären wert. Drehbuchautor Robert Kaplow hat eine Vorlage geschaffen, die ihresgleichen sucht.

Margaret Qualley spielt in "Blue Moon" die Unerreichbare für Lorenz Hart.
Margaret Qualley spielt in "Blue Moon" die Unerreichbare für Lorenz Hart.
Foto: Astrid Mathis

Von wegen „wieder ein Film über Männer, die ihr Ego streicheln wollen“! Es geht zwar um einen der berühmtesten amerikanischen Songschreiber der Welt, aber kennt nicht jeder das Gefühl, in die Ecke gestellt zu werden – im Job oder in der Liebe? Hat Lorenz Hart diesem Schmerz nicht seine schönsten Lieder zu verdanken?

Erfolgsrezept: 30 Jahre mit Linklater

Dann die Sache mit der Freundschaft. Die sei doch viel mehr wert, betont Ethan Hawke auf der Pressekonferenz. Selbstverständlich. Vor 30 Jahren kam er zum ersten Mal mit Regisseur Richard Linklater zur Berlinale. Für die Rolle von Hart war ihm sein Freund aber lange nicht alt genug. Den Stoff hatte er schon vor 12 Jahren auf dem Zettel, verrät der Regisseur. Margaret Qualley ist mit Richard Linklater und Ethan Hawke aufgewachsen. Jetzt mit ihnen diesen Film zu drehen: „Wow! Ich habe einfach nur gemacht, was ich sollte“, sagt sie voller Hochachtung. Doch Hawke gibt ihr das Kompliment zurück. Er hätte viel bei der Arbeit mit jungen Schauspielern gelernt, die gar nicht wissen, wie viel sie zu geben haben. Und dazu gehöre auch sie.

Hin und weg! Ethan Hawke in Berlin. Im Film "Blue Moon" überzeugt er mit herausragendem Schauspiel, auf dem Teppich vor dem Berlinalepalast überrascht er mit kariertem Anzug.
Hin und weg! Ethan Hawke in Berlin. Im Film "Blue Moon" überzeugt er mit herausragendem Schauspiel, auf dem Teppich vor dem Berlinalepalast überrascht er mit kariertem Anzug.
Foto: Astrid Mathis

Ja, zugegeben, auf diese Rolle hat er sich sein Leben lang vorbereitet, mit Macbeth und allem, was er je gespielt hat, denn in einem Moment sei Hart urkomisch, im nächsten herzergreifend, dann wieder vor Selbstbewusstsein strotzend. Die Gegensätze sind es, die die Rolle ausmachen, dem Film die Dynamik geben. „Spiel‘ mal eine 11 Seiten lange Szene so, dass sich keiner langweilt!“, gibt der Schauspieler zu bedenken. Der beste Moment für ihn sei aber einer der Stille, in dem ihn Margaret Qualley und Andrew Scott allein lassen. Sein Lieblingssatz: „Seien Sie sich der Liebesgeschichten bewusst, und passen Sie auf Freundschaften auf!“ Die mit Linklater beschert ihm die Rolle seines Lebens.

Benedict Cumberbatch: Wenn die Krähe kommt

Spielfilmdebüt "Das Ding mit Federn": Regisseur Dylan Southern und Schauspieler Benedict Cumberbatch auf der Pressekonferenz am Potsdamer Platz.
Spielfilmdebüt "Das Ding mit Federn": Regisseur Dylan Southern und Schauspieler Benedict Cumberbatch auf der Pressekonferenz am Potsdamer Platz.
Foto: Astrid Mathis

Während bei „Blue Moon“ zumindest an der Oberfläche ein heiterer Ton über dem Drama liegt, zieht „Das Ding mit Federn“ den Zuschauer gleich ins Düstere. Hier gibt es keine Gegensätze. Die Dynamik liegt woanders. Benedict Cumberbatch spielt einen Vater, der nach dem Tod seiner Frau allein mit seinen Söhnen zurechtkommen muss, obwohl er selbst den Boden unter den Füßen verloren hat. Der Film basiert auf einem Roman, der Emily Dickinsons Gedicht „Hoffnung“ zu verdanken ist: „Trauer ist das Ding mit Federn“ von Max Porter. Hoffnung will angesichts der quälenden Gedanken, schließlich in Gestalt einer unbarmherzigen riesigen Krähe, im Film lange nicht aufkeimen. Sie peinigt ihn, wo sie nur kann. Wie gut, dass Cumberbatch solche Geschichten am Set hinter sich lassen kann und nicht mit nach Hause nimmt! Keine Frage, er spielt den verletzlichen Vater überzeugend hingebungsvoll, aber ob das Drama das erhoffte Publikum findet, steht auf einem anderen Blatt. An Cumberbatchs Erfolge als Sherlock, Marvel-Zauberer oder Dramen wie „Imitation Game“ knüpft der Streifen sicher nicht an. Auf der Berlinale läuft er außer Konkurrenz.

Zwei Männer in der Krise – der eine geht darin auf, der andere unter. Schauspielerisch sind Ethan Hawke und Benedict Cumberbatch aber ganz weit oben. Chapèau!