Schauspieler Ein absoluter Gigant
Leidenschaftlicher Schauspieler, großer Melancholiker: Vor zehn Jahren starb Frank Giering. In Magdeburg soll eine Straße an ihn erinnern.
Magdeburg l Das Grab von Frank Giering liegt im hinteren Teil des Neustädter Friedhofs in Magdeburg. Sommerblumen blühen hier, zwei Engel bewachen die Stelle. Um sie herum sind Steine angeordnet, die mit ihren Gravuren an den heute vor zehn Jahren verstorbenen Schauspieler erinnern. An einem Gebinde hängt ein kleines Holzschild. Darauf steht: „In Erinnerung an einen absoluten Giganten“.
Die Tafel verweist auf Gierings vermutlich intensivste Rolle. In Sebastian Schippers Regie-Erstling „Absolute Giganten“ von 1999 verkörpert er Floyd. Der verbringt mit seinen beiden besten Freunden eine letzte erlebnisreiche Nacht in Hamburg, bevor er am nächsten Morgen auf einem Containerschiff in die Welt hinausfährt. Im Gegensatz zu den aufgekratzten Kumpels ist er häufig in sich gekehrt. Vieles von dem, was Frank Giering ausmachte, ist in der Rolle des Floyd angelegt. Zerbrechlich wirkt er, der Blick mitunter verloren, voller Sehnsucht.
Geboren wurde Giering am 23. November 1971 in Magdburg. Im Stadtteil Neustädter Feld wächst er auf. Das Schauspiel entdeckt er für sich über Statistenrollen am früheren Maxim-Gorki-Theater in Magdeburg. Er versucht es an zwei Schaupielschulen in Bochum und an der HFF in Potsdam. Bricht das Studium aber ab, spielt Theater in Cottbus, widmet sich dann ausschließlich dem Film. Einem größeren Publikum bekannt macht ihn seine Hauptrolle in Michael Hanekes „Funny Games“ von 1997. Giering verkörpert einen sadistischen Killer. Der österreichische Regisseur versteht das kühle Kammerspiel als Plädoyer gegen eine Ästhetisierung der Gewalt - und polarisiert damit bei Publikum und Kritik.
Die Rollenangebote für Giering häufen sich, er spielt in Fernsehfilmen und Serien. Der Magdeburger ist RAF-Terrorist Andreas Baader in Christopher Roths gleichnamigen Film von 2002. In der ZDF-Krimi-Serie „Der Kriminalist“ spielt Giering vier Jahre an der Seite von Christian Berkel. Die Rolle: Ein eher introvertierter Ermittler. Die Abgründe seiner Figuren waren Giering nicht fremd. Wo andere Empfinden oder Schwächen eher im Verborgenen hielten, spricht der Magdeburger gegenüber Journalisten meist offen über sein Alkoholproblem, den Entzug, Selbstzweifel.
Magdeburg bleibt für Giering stets Heimat, erst vor seinem 30. Lebensjahr zieht der, den sie früher „dicken Willi“ nannten, nach Berlin in eine kleine Wohnung. Dort stirbt er 2010 im Alter von 38 Jahren an den Folgen einer akuten Gallenkolik.
Kürzlich beschloss der Magdeburger Stadtrat, dass der Ausnahme-Schauspieler anlässlich seines zehnten Todestages mit einer nach ihm benannten neuen Straße im Stadtteil Neu-Olvenstedt geehrt wird. Der Moritzhof in Magdeburg erinnert seit Jahren mit Filmen an Giering. Am Dienstag, den 23. Juni um 18.30 Uhr und am Mittwoch um 16 Uhr läuft noch einmal "Absolute Giganten".
In einer der eindrücklichsten Szenen des Films, kurz vor dem Abschied, sagt Gierings Figur Floyd zu Telsa (Julia Hummer): "Es müsste immer Musik da sein. Bei allem, was du machst. Und wenn’s so richtig scheiße ist, dann ist wenigstens noch die Musik da. Und an der Stelle, wo es am allerschönsten ist, da müsste die Platte springen und du hörst immer nur diesen einen Moment." Ein Satz aus diesem so kurzen, jedoch bleibenden Monolog ist auch auf dem Neustädter Friedhof zu lesen - nur eine von vielen Erinnerungen an einen großartigen wie tiefsinnigen Schauspieler.