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Nordharzer Städtebundtheater verbindet Gedichtzyklus mit Kammeroper-Uraufführung Ein Musikerlebnis voller Programmatik

Von Hans Walter 21.11.2011, 04:32

Das Nordharzer Städtebundtheater präsentiert eines der wichtigsten Werke der Moderne - den Gedichtzyklus "Pierrot Lunaire" von Arnold Schönberg, verbunden mit der Uraufführung der Kammeroper "Rose: Rot. Nachtigall: Tot." von Julian Lembke. Ein großer Abend!

Halberstadt l Die gut hundert Plätze der Kammerbühne Halberstadt sind ausverkauft. Einen Platz nimmt der junge Komponist Julian Lembke ein. Am Ende des Abends wird ihn das Publikum feiern, hat er doch in vielfältiger Weise die Traditionslinien von Schönberg über John Cage bis zum eigenen kompositorischen Schaffen gezogen. Klangwelten des 20. und 21. Jahrhunderts treffen an diesem Abend im Rahmen des "impuls"-Festivals aufeinander.

Schönberg suchte sich von der Tonalität zu befreien, von der Bindung an einen Grundton, suchte nach neuer Strukturierung der Musik. Sein epochaler Liederzyklus "Dreimal sieben Melodramen des Pierrot Lunaire" entstand 1912 nach Texten von Erich Otto Hartleben nach Albert Giraud, einem der genialen Werke der Moderne. Im 99. Jahr seiner Entstehung nun wurde er endlich auch in Halberstadt aufgeführt.

Regisseurin Andrea Moczko hatte sich für eine szenische Interpretation entschieden, wohl auch, um den inhaltlichen Zusammenhang mit der Kammeroper im zweiten Teil herzustellen: "Unser Pierrot ist ein bildender Künstler ... Doch aus seinem eigenen Werk erscheint ein verzerrtes Abbild seiner selbst ..." Dafür wurde ein pantomimischer Pierrot (Tobias Amadeus Schöner) und eine Columbine-Version (Nina Schubert) gebraucht, allerdings hätte es dieser theatralen Fingerzeige als Zutat nicht bedurft.

Zu klar ist die Charakterisierung Pierrots in den 21 Liedern, die Polyphonie unabhängiger Instrumente, der lapidare Ton, die Erkundung der Klangfarben in den musikalischen Entäußerungen des Pierrot Lunaire, der Triumph der Dissonanzen. Regina Pätzer ist eine ganz großartige Interpretin dieser Seelenregungen! Sie macht Ängste und Zweifel, Hoffnung und Aufbruch mit ihrer expressiven Stimme deutlich. Ihre Stimmungen sind körperlich spürbar. Sie singt und klagt, sie schreit und verstummt, sie seufzt und parodiert. Eine künstlerische Offenbarung!

Sechs Musiker gestalten die Klangfarben des Werks

Sechs Musiker gestalten die Klangfarben des Werks, sind als Orchesterchen zweigeteilt: Links Violine, Bratsche und Cello, rechts Klavier, Piccoloflöte und Flöte, Klarinette und Bassklarinette, mit klaren Dirigierbewegungen (und einem Monitor) zusammengehalten durch den musikalischen Leiter Symeon Ioannidis. Jede der Miniaturen hat eigene Klangfärbung, immer neue Variationen des Zusammenspiels und aphoristische Kürze, sehr schwer zu spielen.

Dieses Instrumentarium wurde dem herausragenden Komponisten Julian Lembke (Jahrgang 1985) vorgegeben. Er arbeitet derzeit in Paris und bekam anlässlich des 100. Geburtstages des Schönberg-Schülers John Cage 2012 nach etlichen Kompositionspreisen auch in Halberstadt den Auftrag, die Kammeroper "Rose: Rot ..." nach Oscar Wildes Kunstmärchen zu schreiben.

Die minimalistische Musik, das poetisch-lapidare Libretto von Andreas Bisowski, die Inszenierung von Andrea Moczko und Ausstatterin Susanne Bachmann und vor allem Spiel und Gesang der Nachtigall Nina Schubert, von Regina Pätzer und Tobias Amadeus Schöner bewirkten Beifallsstürme, Fußgetrappel und Bravorufe. Sieben Minuten anhaltender Applaus für ein Musikerlebnis voller Programmatik im Städtebundtheater! Unverzichtbar!

Nächste Vorstellung: 23. November, 19.30 Uhr