1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Fast der komplette Dürer in Wernigerode

EIL

Im Schloss wird das druckgrafische Werk des genialen Renaissance-Künstlers gezeigt Fast der komplette Dürer in Wernigerode

Von Grit Warnat 23.03.2013, 02:14

Albrecht Dürer in Wernigerode! Im schönen Schloss ist das fast komplette druckgrafische Werk des berühmten Renaissance-Künstlers zu sehen. Wahrlich eine kleine Sensation.

Wernigerode l Der Heilige Hieronymus arbeitet hinter dickem Gemäuer und unter schweren Holzbalken in seiner Studierstube. Durch die kleinen Butzenscheiben des großen Fensters strahlt die Sonne ins Zimmer. Im Vordergrund ein ruhender Löwe. Verkörpert er die intellektuelle Kraft? Albrecht Dürer (1471-1528) spielt mit dem Licht, der Tiefe des Raumes und Inhalten. Der Betrachter verspürt Ruhe, Frieden, Harmonie.

"Der Heilige Hieronymus im Gehäus" ist ein Kupferstich aus dem Jahr 1514. Es ist eines der weltbekannten Blätter von Albrecht Dürer, gehörig zu den drei Meisterstichen. Neben Hieronymus sind auch "Ritter, Tod und Teufel" (1513) und "Melencolia I" (1514) ausgestellt. In der Kunstgeschichte gelten sie als Höhepunkt des grafischen Schaffens des Künstlers. Sie stehen für eine ausgesprochene Feinheit in der Arbeit und eine äußerste Präzision in der Technik. Dies und die künstlerische Auseinandersetzung mit den Inhalten der Arbeiten brachten dem Trio die Bezeichnung Meisterstiche ein.

Der ausgemergelte Tod im Hauptblatt der "Apokalypse"

Ohne Zweifel gehören sie zu den Highlights der Ausstellung, die zeigt, dass Dürers Holzschnitte und Kupferstiche eigene Kunstwerke waren, nicht mehr nur Illustration. Zu sehen sind "Der heilige Eustachius", die Kupferstich-Passion und die weltberühmten Holzschnittfolgen der "Apokalypse", entstanden 1498. Die "Vier apokalyptischen Reiter", eines der "Apokalypse"-Hauptblätter, stellen Krieg, Pest, Not und Tod dar. Sie reiten auf schönen Pferden schnell und kraftvoll, ausgerüstet mit Pfeil und Bogen, Schwert und Waage. Am unteren Bildrand der Vierte im Bunde. Er sitzt ausgemergelt auf einem ebenso ausgemergelten Pferd. Es ist der Tod. Sie trampeln die Menschen nieder. Ein Bild, das die düstere Stimmung zum Ende des 15. Jahrhunderts aufzeigt.

Die meisterliche grafische Kunst, für die Albrecht Dürer schon zu seinen Lebzeiten geschätzt wurde, ist in all seinen Blättern zu erkennen. In "Nemesis - Das große Glück" zum Beispiel schwebt die mit feinen Zügen gezeichnete Nemesis auf einer Kugel über eine realistisch gestaltete Landschaft dahin. Zu sehen ist auch Seite 32 des größten jemals geschaffenen Holzschnitts. "Die Ehrenpforte Kaiser Maximilians" umfasst 167 Holzschnitte auf 53 Bögen. Zusammengesetzt wären sie 3 mal 3 Meter groß.

Immer wieder zeichnet sich Dürer durch Detailreichtum aus. Für all jene, die all das entdecken wollen, was nicht auf den ersten Blick erkennbar ist - es gibt ja auch eine Vielzahl an kleinen Arbeiten - sind im Museumsshop Lupen erhältlich.

255 Arbeiten, davon 30 Bücher, sind ausgestellt - nahezu das gesamte druckgrafische Werk. Es stammt aus der Privatsammlung K. und U. Schulz. Ulrich Schulz und seine Tochter Kathrin aus Karlsruhe haben ein halbes Jahrhundert gesammelt: Kupferstiche, Holzschnitte, Eisenradierungen, Buchillustrationen. Auch wenn den Schulzes drei, vier Blätter fehlen, darunter das bekannte Rhinozeros, ist es eine einmalige Sammlung, die sie zusammengetragen haben. Sie umfasst Dürers Schaffen von den frühen Jahren über die zweite italienische Reise (1505-1507) bis hin zu den Meisterjahren und dem Spätwerk.

Von manchen Blättern gebe es weltweit nur fünf, sechs, sieben Exemplare, sagt Christian Juranek, Geschäftsführer der Schloß Wernigerode GmbH, und zeigt auf die Vitrine, in der der Besucher "Die kleine Kreuzigung im Rund" betrachten kann. Sie kommt recht unscheinbar daher, ist aber allein aufgrund ihrer kleinen Stückzahl von besonderem Wert. Der sogenannte Degenknopf Kaiser Maximilians, datiert zirka 1519, genießt eine Sonderstellung im druckgrafischen Werk Dürers.

Schlosschef Juranek: "Dürer ist eine nationale Legende"

Normalerweise müsse man nach Mailand fahren, nach Wien, Madrid oder New York, um all das sehen zu können, sagt Juranek. Man sieht ihm die Freude über die besondere Ausstellung an. "Dürer ist eine nationale Legende", sagt er.

Dass seine Arbeiten jetzt in sechs seiner Schlossräume hängen, ist einer engen Zusammenarbeit mit den Kunstsammlungen und Museen Augsburg zu verdanken. Dort wurde die Schulz-Sammlung bis zum Januar gezeigt.

Nach Wernigerode reisen die wertvollen Blätter noch ins tschechische Liberec. Auch die Partnerstadt Augsburgs wird die 255 Arbeiten der Öffentlichkeit präsentieren.

Die Ausstellung ist bis zum 2.Juni zu sehen. Erschienen ist ein zweibändiger Katalog (29,90 Euro) mit den Abbildungen aller Exponate.