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Nachwenderegelung läuft im nächsten Jahr aus / Moritzburg erwirbt "Michael"-Schnitzplastik Für Museen läuft 2014 die Ankauffrist ab

Von Uta Baier 23.09.2013, 01:24

Die Museen in Sachsen-Anhalt haben wegen des Nachwendegesetzes nur noch ein Jahr Zeit, um Verluste von 55 Kunstwerken zu verhindern. Wernigerode erwartet noch im September Verträge über die Sicherung der drei Königszimmer.

Magdeburg l Der "Heilige Michael" bleibt für immer in Halle. Das Kunstmuseum Moritzburg hat diese in ganz Sachsen-Anhalt einmalige Schnitzplastik aus der Zeit um 1400 jetzt zusammen mit einer expressionistischen Porträtbüste des als "entartet" geschmähten Bildhauers Karl Knappe (1884-1970) angekauft. Dieser Ankauf ist ein ganz besonderer Ankauf, denn die beiden Kunstwerke waren seit Jahrzehnten in der Sammlung, gehörten dem Museum aber nie.

Denn sie kamen - wie tausende andere - nach der Bodenreform und den Enteignungen von Schlossbesitzern und Gutsherren in die Museen. Nach dem Ende der DDR war schnell klar, dass solche Kunstwerke die Museen verlassen würden.

Allein das 1994 beschlossene Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) verhinderte eine sofortige Rückgabe aller Kunstwerke - die Museen durften besonders wichtige Stücke noch 20 Jahre als sogenannten Nießbrauch behalten. In dieser Zeit hatten sie die Möglichkeit, mit den Eigentümern zu verhandeln und Geld für einen Ankauf zu besorgen. Die Frist dafür läuft am 30. November 2014 aus.

"Es sind keine Millionen Euro geflossen"

Halle hat es geschafft, die beiden einmaligen Werke aus dem ehemaligen Besitz von Hans Hasso von Veltheim, dem letzten Schlossherrn von Ostrau im Saalekreis, ein Jahr vor Ablauf der Frist für das Landesmuseum zu sichern. Über den Ankaufspreis wurde, wie meist in diesen Fällen, Stillschweigen vereinbart. "Es sind keine Millionen Euro geflossen", sagt Konrad Breitenborn, Stellvertreter des Generaldirektors der Stiftung Dome und Schlösser, zu der das Landeskunstmuseum seit Anfang des Jahres gehört. Der Ankauf konnte allein von der Stiftung Moritzburg finanziert werden.

Seitdem dieser Termin immer näher rückt, ist viel von Verlustangst der Museen zu lesen. Fragt man allerdings in den einzelnen Häusern nach, hört man von vielen längst abgeschlossenen Ankäufen, von laufenden Verhandlungen, Einigungen, aber auch von Ankaufswünschen. Nach einer Liste, die das Kultusministerium im Frühjahr 2012 erstellen ließ, warten in allen Museen in Sachsen-Anhalt noch 55 Objekte auf eine Lösung. "Das meiste ist längst geklärt", sagt Matthias Puhle, Abteilungsleiter im Kultusministerium. Und weiter: "Was jetzt noch verhandelt wird, ist nicht so bedeutend, dass sein Verlust die Museen zerreißen würde."

Im Kunstmuseum Magdeburg geht es beispielsweise noch um ein Werk. Das Haus hat - aufgrund seiner Gründung 1976 - nur wenig Fremdbesitz. Insgesamt waren es nur fünf Werke. Vier wurden zurückgegeben, die Skulpturengruppe "Zwölf Apostel und Evangelisten" (um 1590) würde Museumsdirektorin Annegret Laabs gern ankaufen.

Ein Gemälde aus Flandern würde Dessau gern behalten

In der Anhaltischen Gemäldegalerie Dessau ist es auch noch ein Gemälde, das das Museum gern behalten würde - eine Allegorie, die dem flandrischen Künstler Jacob Hoefnagel zugeschrieben wird. Andere Werke wurden zurückgegeben, mehrere 2009 angekauft. Diesen Ankauf - immerhin eine Million Euro - unterstützten sowohl die Kulturstiftung der Länder, die Ostdeutsche Sparkassenstiftung als auch das Land Sachsen-Anhalt.

So eine konkrete Zahl wird selten genannt - die Museen und Stiftungen berufen sich meist auf den Schutz der Privatsphäre der Alteigentümer. Auch die Kulturstiftung der Länder hält sich bedeckt. Sie hat in ganz Sachsen-Anhalt Ankäufe mit einer "mittleren einstelligen Millionensumme" gefördert, wie Stiftungssprecher Johannes Fellmann sagt.

Doch bevor etwas zurückgegeben wird, entscheidet das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen in Halle über die Rückgabe-Anträge. Bisher bearbeitete es Anträge von 334 verschiedenen Antragstellern. 81 davon konnten bislang komplett abgearbeitet werden.

Insgesamt geht es um 142342 "bewegliche Dinge" - was alles einschließt, das nicht fest mit einem Haus verbaut ist. 116391 davon wurden abschließend bearbeitet. Die Zahlen schwanken, denn: "Ein Antrag kann auf die Rückgabe von Schlossinventar lauten und da gehören dann viele Einzelstücke und nicht nur Kunstwerke dazu", sagt Steffi Albrecht, Referatsleiterin im Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen.

Andere Bundesländer und Museen haben ähnliche Probleme. In Thüringen zum Beispiel wurden etwa 900 Vermögenswerte allein als Kulturgüter zurückgefordert. In 230 Fällen ist bisher noch keine Entscheidung getroffen worden. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden haben etwa 3200 Stücke aus Schlossbergungen zurückgegeben, 37 angekauft und noch immer laufen Verhandlungen.

Verhandlungen gibt es auch in Wernigerode, wo von 1100 Museumsstücken, 480 der Familie zu Stolberg-Wernigerode gehören und "250 für die Dauerausstellung unverzichtbar sind", so Museumsdirektor Christian Juranek vor einigen Monaten. Jetzt sagt er nichts mehr. Die Verhandlungen sind offenbar so sensibel und angespannt, dass er sich weder zu drängenden Problemen noch zu möglichen Lösungen oder womöglich fehlendem Ankaufsgeld äußern will. Einziger Kommentar: "Wir sind in Verhandlungen." Und diese Verhandlungen drängen, denn die Verträge mit dem Fürsten zu Stolberg-Wernigerode laufen bereits Ende diesen Jahres aus.

Stiftungen haben bereits "alle Probleme gelöst"

All ihre Rückgabe-Probleme gelöst haben die Stiftung Dome und Schlösser und die Kunststiftung Dessau-Wörlitz. "Wir haben frühzeitig mit den Gesprächen und Verhandlungen begonnen, haben zum Beispiel 24 Gemälde an die Eigentümer zurückgegeben und 21 in gütlichen Einigungen und Übertragungen erworben", sagt Wolfgang Savelsberg, Sammlungsleiter der "Kulturstiftung Dessau-Wörlitz".

"Anders als in den Museen stellt sich die Situation im Archivbereich dar", sagt Ulrike Hörlodt, Leiterin des Landeshauptarchivs Sachsen-Anhalt. Denn Archive führen am liebsten Depositallösungen herbei. Bei so einer Lösung bleibt das Archivgut im Besitz der ursprünglichen Eigentümer, wird aber im Landesarchiv aufbewahrt, gepflegt und steht der Forschung zur Verfügung. Für 44 Bestände wurden solche Depositalverträge ausgehandelt, zwei Archive wurden zurückgegeben - eines durfte zuvor mikroverfilmt werden, andere wurden dem Land geschenkt. Längst ist aber auch im Landesarchiv nicht alles erledigt: In 37 Fällen laufen die Verhandlungen noch oder haben noch gar nicht begonnen.

Wenn es nun um letzte Ankäufe geht, wird sich auch das Land positionieren müssen. Das Kultusministerium will, nach Angaben von Matthias Puhle, Anfang 2014 den Bedarf der Museen an finanzieller Hilfe bei Ankäufen ermitteln. Puhle ist sicher, dass das Land den Museen helfen kann. Über einen speziellen Ankaufsetat verfügt es bisher allerdings nicht.