Nachruf „Good Bye, Lenin“-Regisseur Wolfgang Becker mit 70 gestorben
„Good Bye, Lenin!“ mit Daniel Brühl und Katrin Sass machte ihn berühmt. Nun ist der Filmemacher Wolfgang Becker nach schwerer Krankheit gestorben.
Berlin - Seine Wendezeitkomödie „Good Bye, Lenin!“ zog Millionen ins Kino - nun ist der Regisseur Wolfgang Becker im Alter von 70 Jahren gestorben. In seinem erfolgreichsten Film sah man dem jungen Daniel Brühl dabei zu, wie er als Alexander die DDR für seine Mutter noch ein wenig länger aufrechterhält. Mutti Christiane Kerner (Katrin Sass) war im Oktober 1989 ins Koma gefallen und verschlief die Umwälzungen - der Sohn will sie schonen.
Die Tragikomödie lief im Berlinale-Wettbewerb, wurde 2003 mit über sechs Millionen Besuchern zum erfolgreichsten deutschen Film des Jahres, erhielt viele Preise, darunter neun Lolas beim Deutschen Filmpreis, sechs Europäische Filmpreise, einen César, einen Goya und eine Nominierung zum Golden Globe.
Becker starb am Donnerstag nach schwerer Krankheit, aber dennoch überraschend, wie die Agentur Just Publicity mitteilte. „Er hinterlässt Ehefrau Susanne und Tochter Rike.“ Die Familie bitte um Privatsphäre. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) erklärte: „Sein Tod ist ein schmerzhafter Verlust für den deutschen Film. Mit seinen Filmen wird er unvergessen bleiben.“
Sauerländer macht Ostkomödie
Geboren wurde Becker im Sauerland (im westfälischen Hemer), er studierte in Berlin - von 1974 bis 1979 an der Freien Universität Berlin und ab 1981 an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb).
Mit dem Debüt „Schmetterlinge“ (1988) gewann er einen Goldenen Leoparden beim Filmfest in Locarno. Auf den gelobten Berlin-„Tatort“ mit dem Titel „Blutwurstwalzer“ (1991) folgte ein Jahr später der Film „Kinderspiele“, eine Tragikomödie übers Arbeitermilieu der 1960er Jahre.
Mit Tom Tykwer („Lola rennt“), Dani Levy („Alles auf Zucker!“) und Stefan Arndt gründete Becker die Produktionsfirma „X Filme“. Neben seiner Arbeit als Autor und Regisseur lehrte er an der dffb, der Filmakademie Baden-Württemberg und der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM).
Mit Jürgen Vogel machte Becker einst die Tragikomödie „Das Leben ist eine Baustelle“ (1997). In der Kunstbetrieb-Satire „Ich und Kaminski“ (2015) nach dem Roman von Daniel Kehlmann - wieder mit Daniel Brühl als Schauspieler - ging es erneut um eine Täuschung.
„Wind der Geschichte durch eine kleine Plattenbauwohnung“
Wegen der Mauerfallkomödie „Good Bye, Lenin!“ wurde ihm in Interviews oft die Frage gestellt, ob er nun aus dem Osten oder Westen komme, erzählte Becker gern. „Hätte man auch googeln können.“ In den Gesprächen zu „Good Bye, Lenin!“ sei er auch oft gefragt worden, wo er am Tag des Mauerfalls gewesen sei und ob er sich als Erfinder der Ostalgie sehe.
Bei „Good Bye, Lenin!“ habe er den Wind der Geschichte durch eine kleine Plattenbauwohnung wehen lassen wollen, sagt Becker. Die Zeitgeschichte als Hintergrund, eine Familie im Vordergrund. Und über allem schwebt eine Lüge.
Danach sei gerade durch Shows im Fernsehen der Begriff „Ostalgie“ aufgekommen, sagt Becker. Er finde den im Zusammenhang mit seinem Film „überhaupt nicht passend“. Der Begriff impliziere zum Beispiel eine Reduktion des Themas auf profane, liebgewonnene Dinge und Momente des Alltags, denen man hinterhertrauere, etwa bestimmten Lebensmitteln oder Ritualen. „Wenn Alex seiner Mutter den Fortbestand der DDR vorgaukelt, spiele ich natürlich mit diesen Dingen und Momenten“, sagt Becker.
Wenn dem Film jedoch vorgeworfen werde, er habe einen „rosaroten, ostalgischen Blick auf die DDR“, sei quasi eine nachträgliche Idealisierung oder Romantisierung eines Unrechtsregimes, „dann kann ich nur sagen: Ihr habt den Film nicht wirklich gesehen“. Ostalgie habe für Ex-DDR-Bürger ohnehin eine andere Bedeutung gehabt. „Es ging nicht um eine Sehnsucht nach der alten DDR, sondern um die Verteidigung der eigenen Lebensleistung und Vergangenheit.“
„Ich bin grundsätzlich nicht der schnellste Mensch“
Zwischen seinen Filmprojekten lagen bei Becker zuletzt oft etliche Jahre. „Ich bin grundsätzlich nicht der schnellste Mensch“, sagt er über sich selbst. Er wolle Filme machen, die so gut wie möglich seien. Er lebe nicht in dem Luxus, gute Drehbücher einfach geschickt zu bekommen, sondern müsse bei jedem Drehbuch mitanpacken.
Er glaube schon, sagte Becker vor fünf Jahren, dass die Sozialisation zwischen Ost und West noch einen Unterschied mache. Für die Jüngeren gelte das aber nicht mehr so stark wie für die Eltern.
Doch zum Deutschlandverständnis der Nachwendezeit hatte Becker auch eine hübsche Anekdote parat. Bevor „Good Bye, Lenin!“ im Februar 2003 ins Kino gekommen sei, habe es in München ein Testscreening gegeben. „Ich habe mich heimlich in die Vorführung gesetzt, mitten ins Publikum, völlig unerkannt.“ Ideal, um erste Reaktionen zu kriegen.
Alle Zuschauer hätten einen Fragebogen bekommen. „Neben mir saß ein junges Pärchen und das Mädchen sagte zu ihrem Freund: „Hier steht: Kommen Sie aus dem Westen oder dem Osten? Was soll ich denn da schreiben? Ich komme doch aus dem Süden.“