Ausstellung Heinrich I. - Legende und Mythos
Vor 1100 Jahren wurde Heinrich I. König des Ostfränkischen Reiches. Wer dieser Heinrich war, zeigt Quedlinburg in einer Sonderausstellung.
Quedlinburg l Heinrich starb 936 in Memleben im schönen Unstruttal. Aber begraben werden wollte er auf einer Anhöhe in der Siedlung Quedlinburg, dort, wo er sich mit der ottonischen Königsfamilie oft aufgehalten hatte. Dort stand einst eine kleine Kapelle. Heute thront die geschichtsträchtige Stiftskirche St. Servatii an dieser Stelle. In ihrer Krypta ist die Grablege des einstigen Herrschers. Seine Frau Mathilde wurde neben ihm bestattet. Ihre Gebeine sind im Sarg vorhanden. Sein Grab allerdings ist leer. Wo sind seine Gebeine? Man weiß es nicht – wie so vieles über diesen Heinrich im Dunkeln liegt.
Heinrichs Zeit, so ist gleich zu Beginn in der Ausstellung zu erfahren, ist geprägt von einer weitgehend schriftlosen Kultur, die sich deutlich von der Königsprovinz Sachsen unterschied. „Es gibt kaum schriftlich Überliefertes, es gibt kaum Abbildungen“, sagt Uta Siebrecht, Leiterin des Schlossmuseums. Was sich in den Überlieferungen festsetzte, sei einerseits ein romantisiertes Bild des Königs, andererseits eine Abneigung. Die Nationalsozialisten hatten Heinrich I. als vermeintlichen Vorreiter von Hitlers Politik instrumentalisiert. Auch das ist zu erfahren in den Säulenräumen im Untergeschoss des Westflügels.
„Wir wollen die neuesten Erkenntnisse am authentischen Ort zeigen“, sagt Siebrecht und verweist auf die internationale Tagung im vergangenen Jahr, auf der sich Historiker mit Heinrich und seinem Mythos beschäftigt haben. Die Tagung mit aktuellsten Forschungsergebnissen war Grundlage dieser Sonderschau.
Sie ist zweigeteilt, führt erst ins Schlossmuseum, das in drei Räumen jene Zeit und die Familie beschreibt, in die Heinrich hineingeboren wurde, in der für ihn aber keine führende Rolle vorgesehen ist – schon gar keine Königswürde. Zufälle, Glück und geschicktes Handeln werden seine Karriere befördern. Dass das ostfränkische Königshaus geschwächt ist und ungarische Reiternomaden im Land zündelnd unterwegs sind, erzählt höchst anschaulich das „Lebende Buch“, das mit jedem Umblättern von einst berichtet – mit Animationen, Geräuschen, Musik und einem Sprecher.
Es ist keine Ausstellung der vielen kostbaren Exponate (dafür sind auch die klimatischen Bedingungen im Schlossmuseum schwierig). Fundstücke aber werden gezeigt aus Grabungen, wie eine wertvolle Goldscheibenfibel aus dem 7. Jahrhundert aus der Wüstung Groß Orden, die der Besucher an einem Multitouch-Tisch geografisch zuordnen kann. Frühmittelalterliche Siedlungsspuren können ebenso nachverfolgt werden.
Wohl wichtigstes Exponat ist eine Urkunde von 922, auf der König Heinrich I. dem Kloster Corvey besondere Rechte bestätigt. Auf dem dicken roten Siegel ist Heinrich erkennbar. Es ist zugleich die erste schriftliche Erwähnung Quedlinburgs. Die Besonderheiten des wertvollen Papiers werden mit einer sprechenden Urkunde erklärt (alles übrigens auch auf Englisch).
Heinrichs Machtkämpfe, militärische Erfolge und friedliche Vermittlungen brachten ihm Anerkennung. „Er hat das Fundament gelegt für das Heilige Römische Reich“, sagt Uta Siebrecht und spicht von einer „enormen Lebensleistung“. Doch heute steht Heinrich I. im Schatten seines Sohnes, Kaiser Otto I.
Kaiser Otto war es, der mit der Königswitwe Mathilde auf dem Burgberg ein Damenstift gründete. Ein Memorialort – auch im Gebetsgedenken sollte an Heinrich erinnert werden. Bis in alle Ewigkeit. Totengedenken durch Gesänge wie im Antiphonar, einem liturgischen Buch aus der Stiftskirche. „Zwei Lieder wurden für die Hörstation neu eingesungen“, sagt Linda Herbst von der Domschatzverwaltung. Die Gesänge wirken authentisch in diesen Gemäuern, in denen der zweite Teil der Ausstellung von der Entwicklung des Stiftes erzählt, das zu Reichtum und Besitz kam. Der Domschatz ist da mit seinen prachtvollen Reliquien. Gold, Edelsteine, Elfenbein. Zu seinen Füßen entwickelte sich Quedlinburg unter den Ottonen.
„Am Anfang war das Grab“ ist dieses Kapitel überschrieben – in Räumen mit Kapitellen, Säulen, Ornamentik und Gewölbemalerei. Der Atem der Geschichte und die Stille lassen innehalten. Und im Verweilen in dieser Gedächtniskirche darf man sich Zeit nehmen für ein persönliches Erinnern an Verstorbene, zu dem die evangelische Gemeinde die Besucher am Ende der Schau anhält.