Dessauer Bauhaus-Direktor Meyers Möbel für die Volkswohnung
"Das Prinzip Coop - Hannes Meyer und die Idee einer kollektiven Gestaltung" nennt die Stiftung Bauhaus Dessau ihre aktuelle Ausstellung. Sie ist die erste, die sich den Intensionen des zweiten Bauhausdirektors widmet.
Dessau-Roßlau l "Hier berühren sich wieder die Geschichte und die Gegenwart", sagt Werner Möller. Der Kurator der Ausstellung "das prinzip coop - Hannes Meyer und die Idee einer kollektiven Gestaltung" verweist auf ein Tische-Hocker-Ensemble. Der einstige Vorkurs-Raum des Bauhauses, jetzt Teil der Ausstellung, sei zur Meyer-Zeit mit ähnlichen Möbeln eingerichtet gewesen.
Hannes Meyer (1889-1955) hat diese Möbel für die von ihm konzipierte "Volkswohnung" entworfen. Während seiner Zeit als Direktor (1928-1930) war die "Volkswohnung" zentrale Aufgabe und "Volksbedarf statt Luxusbedarf" das Leitmotiv des Dessauer Bauhauses.
Hier berühren sich Geschichte und Gegenwart
Bereits 1927 hatte Bauhaus-Gründer Walter Gropius den Schweizer Architekten an das Bauhaus berufen, ernannte ihn später zu seinem Nachfolger. "In der Lehre hatte Meyer überhaupt keine Erfahrungen", so Kurator Möller. "Er kam mit den Gedanken Pestalozzis und der Sozialreformen aus der Schweiz hierher und wollte diese Gedanken hier übertragen." Meyer hatte 1919 den Wettbewerb für Freidorf, die erste Gemeinschaftssiedlung des Verbandes Schweizerischer Konsumverein, gewonnen und bis 1926 selbst dort gelebt.
Das Bauhaus ist ihm zu sehr akademisch operierende Kunstschule. Er revolutioniert es mit seiner Idee des gemeinschaftlichen Gestaltens. Lehre, Werkstätten, Planung und Architektur werden radikal am Kollektiv ausgerichtet. "Hannes Meyer hatte eine sehr analytische Idee des kollektiven Gestaltens", erklärt Bauhaus-Direktorin Claudia Perren mit Verweis auf die Ausstellung. Sie ist einer der Höhepunkte im aktuellen Jahresprogramm der Stiftung Bauhaus, das sich dem Thema "Kollektiv" widmet. Perren: "Wir haben uns entschlossen, jedem Jahr ein gewisses Thema zu geben, um Bauhaus-Geschichte weiter zu erzählen, bestimmte Aspekte aufzugreifen und noch einmal anders zu beleuchten." Das Kollektiv habe sich für 2015 angeboten, da die beiden Kuratoren, neben Werner Möller ist das die mexikanische Hannes-Meyer-Expertin Dr. Raquel Franklin, bereits über 18 Monate an der von Anfang an geplanten Ausstellung gearbeitet haben.
In vier für Meyer besonders relevante, sich aber auch überlagernde Themenkomplexe haben sie die Ausstellung gegliedert: Gesellschaft, Lehre, Landschaft und Architektur. "Sogenannte Satelliten geben zusätzlich aus einer anderen Perspektive als die Themeninseln Einblicke in Meyers Werdens- und Wirkensgeschichte", erläutert Werner Möller. Der Schweizer sei "immer als Suchender unterwegs" gewesen, seine Biografie von Migration geprägt.
Am Bauhaus wird ihm gekündigt, weil er sich vom Coop-Genossenschaftler zum überzeugten Marxist wandelte. Er lehrt bis Mitte der 1930er Jahre in Moskau. Nach einem kurzen Intermezzo in der Schweiz wirkt er von 1939 bis 1949 in Mexiko, stirbt schließlich im Tessin.
Meyers Auffassung von Architektur wird zudem an zwei zentralen Projekten deutlich, auf die die Ausstellung eingeht. Anhand der Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes in Bernau, für die Hannes Meyer 1928 zusammen mit seinem Bürokollegen Hans Wittwer den Wettbewerb gewann. Wie beim Genossenschaftlichen Kinderheim Müliswil wird sein kollektiver Gestaltungsansatz nachvollziehbar. Nach eigenen Aussagen projektierte er nie allein und ließ psychologische wie funktionale Aspekte und deren ökonomische und gesellschaftliche Konsequenzen in den Planungsprozess einfließen.
Die Bauhaus-Schau greift Meyers Coop-Prinzip in mehrfacher Hinsicht auch ganz praktisch-aktuell auf. Die Möbel der "Volkswohnung" - der Hocker "ti 245" und der Tisch "ti 207" - sind Teil einer neu entstandenen Kleinserie. Auszubildende der Deutschen Werkstätten Hellerau haben dafür nach Hannes Meyer die Prototypen entworfen, die dann bei der Arbeits- und Sozialförderungsgesellschaft Dessau gebaut wurden.
Kulturstiftung des Bundes fördert die Schau
Raquel Franklin kommt mit Studierenden ihrer Universität Anáhuac wieder. Sie werden ab 19. Juni in einem einmonatigen Workshop wie eine der von Hannes Meyer eingeführten "vertikalen Brigaden" an einem selbstgewählten Architektur- oder Stadtplanungsprojekt in Dessau arbeiten.
Die internationale Ausstellungskooperation wird vom Programm "Fellowship Internationales Museum" der Kulturstiftung des Bundes gefördert. Die Schau "das prinzip coop - Hannes Meyer und die Idee einer kollektiven Gestaltung" ist bis zum 4. Oktober im Dessauer Bauhausgebäude zu sehen. 2016 wird sie im Architekturmuseum der Technischen Universität München in der Pinakothek der Moderne gezeigt.