Deutschpop-Sängerin Dota: Durchbruch mit Grenzen

Berlin (dpa) - Hier ist es endlich, das gute deutsche Lied zur Flüchtlingskrise. Es heißt Grenzen, und es stammt von der Berliner Sängerin Dorothea Kehr alias Dota. Ein so engagierter wie scharfsinniger Kommentar zur traurigen Gegenwart.
Das Mittelmeer wird ein Massengrab / Es gibt Grenzen / Sie führen zu Nationalismus mit seinen bekloppten Konsequenzen, singt die 36-Jährige mit ihrer klaren Stimme zu einem eingängigen Pop-Arrangement. Man entrechtet Leute, nur weil sie von irgendwo kommen / Es gibt Grenzen. Im Refrain fordert Dota: Ich will einen Pass, wo 'Erdenbewohner' drin steht / Einfach nur 'Erdenbewohner' / Sag mir bitte, wohin man da geht. Und auch Vorwürfen vermeintlicher Realpolitiker baut sie gleich vor: Nennt mich naiv, es ist mir egal...
Auf Keine Gefahr (Kleingeldprinzessin Records/Broken Silence), dem neuen, bereits achten Studioalbum von Dota und ihrer dreiköpfigen Band, ist Grenzen nicht der einzige politische Song, mit seinem dringenden Appell für Respekt und Empathie gleichwohl der aufwühlendste. Auch Vergiftet geht dem Hörer nahe, mit einer eindrücklichen Beschreibung der Gefahren durch Elektrosmog und chemieverseuchte Lebensmittel.
Damit erweist sich Dota als kritische Beobachterin aktueller Phänomene, ist aber beileibe noch keine Protestsängerin im Stil der 70er Jahre. Auch Beziehungskisten und kleine Begebenheiten des Alltags schildert die Songschreiberin mit Lakonie und Sensibilität. Humor kann sie ebenfalls, etwa im ironischen Lied Rennrad über einen selbstverliebten Vertreter der Gattung Mann: Er kommt mit seinem Rennrad und er weiß, er ist heiß / Heiß wie frisch frittiert, und er ist schick frisiert.
Es verwundert, dass Dota noch nicht bekannter geworden ist (was sich mit dem Radio-Airplay von Grenzen gerade ändert). Denn auch ihre Musik klingt weder verschroben noch liedermachermäßig spartanisch, sondern zugänglich und üppig an der Schnittstelle zwischen zartem Folk, mediterranem Walzer, Latin-Pop und Chanson. Allerdings hat die Künstlerin stets auf ihre Unabhängigkeit geachtet und veröffentlicht bis heute auf dem eigenen Label Kleingeldprinzessin, unterwarf sich also nie dem Stil-Diktat großer Plattenfirmen.
Mit dem Album Keine Gefahr dürfte die ausgebildete Ärztin und zweifache Mutter Dorothea Kehr dem verdienten Durchbruch nach über zehn Jahren in der zweiten Reihe aber nun nicht mehr entgehen. Geschickt haben die Gitarristin und Sängerin, Jan Rohrbach (Gitarre, Bass), Jonas Hauer (Keyboards, Piano) und Janis Görlich (Schlagzeug) auch dezente elektronische Elemente in das typisch warme Dota-Klangbild eingewoben. Diese Modernisierung des bewährten Sounds tut den Liedern hörbar gut. Ein schönes Album von einer klugen, sympathischen Künstlerin.