Konzert Musik, die man sehen kann
Gebärdendolmetscherin Laura Schwengber will gehörlosen Menschen Musik nahebringen und vermittelt ihnen Konzertatmosphäre.
Magdeburg l Wenn Laura Schwengber auf der Bühne steht, dann braucht sie keine gesprochenen Worte und keine verstärkten Instrumente, um Musik zu machen. Die Berliner Gebärdendolmetscherin bietet mit Gebärdensprache und vollem Körpereinsatz gehörlosen Menschen die Chance Musik wahrzunehmen – so auch am Samstag auf der Seebühne im Elbauenpark bei „Ostrock meets Classic“.
„Im Grunde dolmetsche ich alle akustischen Signale: Von der Begrüßung durch die Band über die einzelnen Songs bis hin zur Zugabe“, erklärt die 28-Jährige. Am wichtigsten sei es dabei, das Konzerterlebnis und die damit verbundenen Gefühle zu übertragen.
Den gesungenen oder auch gesprochenen Text übersetzt sie dabei in die reguläre Gebärdensprache. Doch die besondere Herausforderung sei es, die Melodien, Höhen, Tiefen und Rhythmen für gehörlose Menschen darzustellen. „Der Text ist das Grundgerüst, mit dem ich arbeite und den ich dolmetsche. Die Musik selbst stelle ich tänzerisch dar. Bei hohen Tönen gestikuliere ich auch weiter oben oder stelle mich auf die Zehenspitzen. Der ganze Körper wird genutzt. Ich hüpfe, springe und tanze. Auch über die Geschwindigkeit beim Gestikulieren kann das Gefühl von Musik transportiert werden“, sagt die Gebärdendolmetscherin.
Das „Ostrock meets Classic“ in Magdeburg ist dabei aus mehreren Gründen für die aus dem Spreewald stammende Gebärdendolmetscherin interessant. „Ich bin im Osten aufgewachsen, die Songs kenne ich also schon mal alle. Allerdings ist auch ein großer Teil des Konzertes von klassischer Musik geprägt – und ohne Text. Da habe ich dann gewissermaßen nicht viel Material, das ich dolmetschen kann. Das heißt, ich muss mich viel mehr auf die Musik selbst einlassen und diese darstellen. Das ist mit Text meistens leichter.“
Die staatlich geprüfte Dolmetscherin für Gebärdensprache kam über ihren besten Freund Edi zur Gebärdensprache. „Ich bin mit Edi befreundet, seit ich zwölf Jahre alt bin. Er ist im Lauf der Zeit allerdings ertaubt und später auch erblindet. Da es mich gestört hat, beim Spielen immer so laut zu reden, haben wir uns eine eigene kleine ‚Geheimsprache‘ ausgedacht, die mit Gebärden funktioniert.“ Da sie auf Dauer aber nicht nur in ihrer ‚Geheimsprache‘ reden wollten, studierte Laura Schwengber nach dem Abitur Gebärdendolmetschen.
Dazu Musik zu dolmetschen kam sie eher durch Zufall und „über fünf Ecken“. Ursprung war der Norddeutsche Rundfunk (NDR), wo man jemanden suchte, der ein Musikvideo für Gehörlose übersetzt. „Über eine Kommilitonin bin ich dann dazu gekommen und habe das für den NDR gemacht und es war echt cool. Da fing das Musikdolmetschen an“, sagt Schwengber.
Auch ihr Studium beschäftigte sich mit dem Dolmetschen von Musik, allerdings nicht „sehr tiefschürfend“. So erlernte Schwengber die Fähigkeiten und Bewegungen zu großen Teilen autodidaktisch.
Seitdem reist sie durch Deutschland und teilt sich mit den Musikern die Bühnen, um auch tauben Menschen die Musik nahezubringen.
So dolmetschte sie schon Konzerte von Peter Maffay, Max Mutzke, Revolverheld, Keimzeit, dem Babelsberger Filmorchester und vielen mehr. Zuletzt feierte sie sogar eine Premiere, denn am Freitag hatte die Gebärdendolmetscherin ihren ersten Auftritt bei dem Hardrock– und Metal-Festival „Wacken“.
Und auch die Reaktionen, die sie auf ihre Arbeit erhält, sind meist positiv. „Ich bekomme oft tolles Feedback. Die Leute sagen, dass sie das Gefühl hatten ‚voll dabei zu sein‘. Für manche ist es auch das erste Mal, dass sie einen Eindruck von Konzeratmosphäre spüren. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Leute, die sagen, dass niemand das braucht, was ich mache. Das ist aber zum Glück der geringere Teil. So lange es von der Mehrheit gut angenommen wird, so lange werde ich auch Musik dolmetschen.“
Auf der Seebühne wird Schwengber für mindestens fünf Gehörlose die Musik dolmetschen, wie Sylke Szemkus vom Wohlfahrtsverband „Der Paritätische“ mitteilt. „Neben dem Konzert auf der Seebühne wird übrigens auch der Auftritt in der Schierker Feuerstein-Arena am 8. September mit Gebärdendolmetschern begleitet“, sagt Szemkus.