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Albumveröffentlichung Robert Stadlober: Tucholsky-Album nach Goebbels-Film

Was macht ein Schauspieler, nachdem er den NS-Chefpropagandisten verkörpert hat? Er singt Gedichte, die für das ideologische Gegenteil stehen. Musikalisch fehlt ihm dafür jedoch etwas Biss.

Von Albert Otti, dpa 30.08.2024, 06:00
Der vielbeschäftige Schauspieler macht auch Musik.
Der vielbeschäftige Schauspieler macht auch Musik. Jens Kalaene/dpa

Wien - Derzeit ist Robert Stadlober als Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels im Kinofilm „Führer und Verführer“ zu sehen. Als Kontrastprogramm hat sich der Schauspieler und Musiker einen Literaten vorgeknöpft, der einst hellsichtig vor der rechten NS-Ideologie warnte: Kurt Tucholsky (1890-1935).

Heute erscheint das Album „Wenn wir einmal nicht grausam sind, dann glauben wir gleich, wir seien gut“. Dafür hat der in Wien lebende Stadlober („Sonnenallee“, „Crazy“, „Das Boot“) zwölf Tucholsky-Gedichte mit einfachen Melodien versehen, gesungen und dazu Gitarre gespielt.

Aktuelle Texte mit Wohlfühl-Sound

Die Aktualität der ausgewählten Texte ist offensichtlich. Der 42-jährige Stadlober bedient sich bei Tucholsky, um mehr Mut von Kultur- und Medienschaffenden einzufordern („An das Publikum“), für Frieden einzutreten („Nationale Verteidigung“, „'s ist Krieg“) oder gegen bildungsbürgerliche Realitätsverweigerung anzusingen („Zuckerbrot & Peitsche“).

Musikalisch klingt das Album jedoch nicht nach drohendem Unheil, sondern nach einer entspannten Gartenparty mit Freunden in der Abendsonne. Der Wohlfühl-Sound, der sich durch fast alle Songs zieht, könnte als Kontrast zum Ernst der besungenen Themen verstanden werden. Oder auch als Mangel an musikalischen Ideen.

Von Knef über Lindenberg zu Stadlober

Doch kurz bevor man die Kopfhörer weglegen will, tauchen im hinteren Teil des Albums dann doch noch einige wenige Nummern auf, die musikalisch mit den Gedichten Schritt halten können. Dazu gehören „'s ist Krieg“, bei dem sich Stadlober zu rockigen Tönen hinreißen lässt, und der winterlich gedämpfte Song „Wo ist der Schnee“.

Und dann wagt sich Stadlober noch an Tucholskys Gedicht „Augen in der Großstadt“, das schon Hildegard Knef und Udo Lindenberg musikalisch interpretiert haben. Diesem Text über einen kurzen Augenkontakt in der anonymen Großstadt gab Knef eine jazzig-nächtliche Note, Lindenberg machte eine Rocknummer daraus. Stadlobers frischere und optimistischere Version funktioniert im Vergleich zu den großen Vorgängern genauso gut - wenn nicht sogar besser.