Schauspiel Magdeburg Science Fiction ohne Schnickschnack
Im Rahmen der "Raumstation Paradies"-Unternehmung hat das Schauspiel Magdeburg am Sonnabend das Werk "Solaris" aufgeführt.
Magdeburg l Lem thematisiert in seinen Büchern bereits in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts philosophische und ethische Aspekte technischer Entwicklungen, wie etwa der künstlichen Intelligenz, menschenähnlicher Roboter oder der Gentechnik, die er sozusagen visionär erahnte. Das macht ihn auch über die zeitliche Distanz von mehr als 50 Jahren heutig. Wenn man will, kann man eine Linie von „Solaris“ bis ins digitale Zeitalter ziehen.
Handlungsort ist die Raumstation über dem Planeten Solaris, auf dem nur ein einziger Bewohner, ein schleimiger Ozean, existiert. Generationen von Forschern versuchten vergeblich, zu diesem Wesen Kontakt aufzunehmen. Jetzt sind die Wissenschaftler Snaut und Sartorius an der Reihe. Neuankömmling Kris Kelvin erlebt sie als gescheiterte, zerstörte Existenzen. Den Grund begreift Kevin erst allmählich, nämlich als auch er von einem unheimlichen „Gast“ heimgesucht wird, in seinem Fall von seiner Frau Harey, die vor zehn Jahren Selbstmord begangen hat. Harey ist offensichtlich eine dreidimensionale Kopie, geformt aus Erinnerungen und Empfindungen.
Das Publikum folgte der Inszenierung mit gespannter Aufmerksamkeit. Die Aufführung verzichtet auf jeglichen Science-Fiction-Schauwert. Christiane Hercher schuf eine klare zweigeteilte, sehr ästhetische Raumbühne, lediglich bestückt mit zwei Monitoren und einem weißen Liegemöbel. Verschiedene farbige Lichtstimmungen und ständige leise Musik unter dem gesamten Geschehen schaffen die Assoziation einer erdfernen Welt. Diese Kargheit entspricht der Fassung von Tim Staffel, die vor allem auf philosophische Fragestellungen setzt: Wen suchen wir in fernen Welten, Kontakt oder einen Spiegel unserer selbst? Und wie gehen wir mit dem, was wir vorfinden, um?
Die Regisseurin fordert von den Zuschauern hohe Konzentration. Dramatisch aufregende Situationen ereignen sich selten. Ein Black trennt die Szenen jeweils voneinander, signalisiert das Vergehen von Zeit. Veränderungen von Haltungen, Entwicklungen im Erleben der Figuren werden oft nur angerissen. Es gibt eine hohe Fokussierung auf das Wort. Lucie Berelowitsch peppt die Inszenierung weder durch Humor noch durch Grusel auf. Langeweile entsteht dennoch nicht.
„Solaris“ ist ein leiser (manchmal akustisch zu leiser) Abend. Das komödiantische Futter für die Darsteller ist schmal. Zlatko Maltar (Snaut) und Uwe Fischer (Sartorius) haben jeder seinen Part. Snaut präsentiert sich verwahrlost, Sartorius in weißer Laborkleidung (Kostüme Nadine Hampel), doch beide sind geprägt von Panik. Fischers Satorius hastet ohne Unterlass fahrig, scheinbar ohne Sinn und Verstand, durch den Raum. Maltar spielt den Snaut resignativ und ständig auf dem Rückzug.
Veränderung erfahren die Figuren Kelvin (Lukas Paul Mundas) und Harey (Anne Hoffmann). Hoffmann zeigt ihre Harey als Suchende, die zunehmend eigenständig denkt und urteilt und zur Fordernden wird. Der Kelvin von Mudas durchläuft eine ganze Skala: Er kommt als selbstbewusster Wissenschaftler, wird verunsichert, erlebt Grausen, Irritationen und Enttäuschung.
Das Stück endet mit einem Monolog Kelvins, der tastend beschreibt, was er in der Kommunikation mit dem Ozean erlebt. Hat er gelernt? Am Schluss steht ein Bild: Kelvins Begegnung mit einem Kind (alternierend Antonia Gems / Lina Kittner). Es könnte Hoffnung bedeuten, aber auch Wiederholung des Ewiggleichen.
Weitere Aufführungen auf der Studiobühne am 31. März sowie am 13. und 14. April, jeweils um 19.30 Uhr.