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ARD zeigt heute " Bis nichts mehr bleibt " Scientology als ausbeuterische Sekte

31.03.2010, 04:52

Selten wirbelt ein Fernsehfilm soviel Staub auf : Schon Wochen vor der Ausstrahlung des Scientology-kritischen ARD-Dramas " Bis nichts mehr bleibt ", den das Erste heute ab 20. 15 Uhr zeigt, gab es Aufregung um die Produktion des Südwestrundfunks ( SWR ). Denn der Film versucht erst gar nicht, dokumentarischobjektiv zu sein ; er nimmt eine starke Haltung ein.

Hamburg ( dpa ). Die Scientology-Organisation, die sich selbst als Kirche bezeichnet, wird ungeschönt und ohne Vorbehalte dargestellt als manipulierende, ausbeuterische Psychosekte, die Familien zerstört. Kein Wunder, dass Scientology Sturm läuft : Die ARD betreibe eine Diskriminierungskampagne, lautet ihr Vorwurf.

Anders als beim WDR-Film " Contergan ", der erst nach langer juristischer Auseinandersetzung gezeigt werden konnte, gab es diesmal kein gerichtliches Vorspiel – obwohl Scientology schon häufiger juristisch gegen Kritiker vorgegangen ist und zuweilen Recht bekam. Doch dagegen sorgte die ARD vor. Scientology bekam vorher keine Möglichkeit, etwas über den Film zu erfahren ; selbst die Pressevorführungen waren nur für angemeldete Journalisten offen.

Die Dreharbeiten wurden streng geheim gehalten : Das Set wurde als " Tatort " -Drehort getarnt, die beteiligten Schauspieler nicht genannt, Drehbücher nicht per Mail, sondern nur per Hand verteilt. " Das war nötig, weil wir Menschen schützen mussten, die uns Informationen gegeben haben ", sagt Produzent Nico Hofmann von Teamworx.

Denn der Film basiert auf wahren Begebenheiten. Der Fall eines Hamburger Scientology-Aussteigers, der nach eigener Aussage seine Familie an die Organisation " verlor ", sowie weitere Aussteiger-Berichte dienten als Grundlage für die ansonsten fiktive Geschichte von Drehbuchautor und Regisseur Niki Stein.

" Er hat auch innerhalb von Scientology recherchiert und mit Scientologen, Ex-Mitgliedern und Fachleuten gesprochen ", sagt der verantwortliche Fernsehfilmchef des SWR, Carl Bergengruen, und kontert damit einen Vorwurf von Scientology, die Filmemacher hätten lediglich " unzufriedene Ex-Mitglieder " und Gegner befragt, aber nie die Organisation angehört.

Scientology verspricht " eine Brücke zur völligen Freiheit " für die Mitglieder, will sie stark machen gegen Versuchungen, sie sollen sich reinigen und bessern.

Die Filmemacher sehen aber genau das Gegenteil davon. " Das ist von so einer menschenverachtenden Kälte und derart sozialdarwinistisch, das macht einen wütend ", sagt Regisseur Stein. ARD-Programmdirektor Volker Herres geht noch einen Schritt weiter : " Wir haben es hier nicht mit Religion zu tun. Scientology geht es vor allem um Macht, das Geschäft und den Ausbau des Netzwerkes. "

" Bis nichts mehr bleibt " ist die Geschichte einer Familie, die an Scientology zerbricht. Der junge Architekturstudent Frank ( Felix Klare ) findet in einer schwierigen Lebensphase zu Scientology, bekommt dann dort einen Job und gewinnt schließlich Selbstachtung. Seine Freundin Gine ( Silke Bodenbender ) ist zunächst noch skeptisch, doch dann setzt der der Wandel bei ihr ein : Sie wird zur 1-A-Scientologin und steigt in der Hierarchie ziemlich schnell auf.

Das gemeinsame Kind kommt in ein Scientology-Internat. Zu spät erkennt Frank, dass Scientology sein Leben, seine Familie beherrscht ; er sagt sich los, doch den Prozess ums Sorgerecht verliert er – gegen seine Frau und gegen Scientology, wie der hochkarätig besetzte Film nahelegt. Robert Atzorn und Sabine Postel spielen die besorgten Großeltern, Suzanne von Borsody kämpft als Anwältin für den Vater, Kai Wiesinger – aalglatt und überzeugt – steht auf der Gegenseite. Scientology berief eigens zu dem ARD-Film eine Pressekonferenz ein und drehte eine Dokumentation für das Internet, in der die kritische Gesamtaussage des Films mit Hinweisen auf Detailfehler und einzelne Ungenauigkeiten torpediert werden sollte.

Es liegt in der Natur von Spielfilmen, dass sie Fakten zusammenziehen, Probleme verdichten, dabei übertreiben und akzentuieren – auch wenn ein Aussteiger den Film als " sehr realistisch " einschätzt. Doch selbst wenn nur die Hälfte des Gezeigten der Realität entsprechen sollte, wird deutlich, warum der Verfassungsschutz Scientology seit 13 Jahren beobachtet.