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TV-Tipp ARD-Doku: Ein Polizist in der organisierten Kriminalität

Kokainsucht, schnelle Autos, ein Leben im Rausch der Geschwindigkeit - ein Berliner Polizist arbeitete für eine Autoschieberbande und landete im Gefängnis. Eine Dokumentation gibt interessante Einblicke in die organisierte Kriminalität und das Seelenleben ihrer Akteure.

Von Andreas Rabenstein, dpa 06.10.2023, 17:01
Szene aus der Doku-Serie "Lubi – Ein Polizist stürzt ab".
Szene aus der Doku-Serie "Lubi – Ein Polizist stürzt ab". Philipp Hoffmann/SWR/Frisbeefilms/ARD/dpa

Berlin - Als Berliner Streifenpolizist war Rolf L. so gewalttätig wie erfolgreich, auch auf der Jagd nach Drogendealern im Görlitzer Park in Kreuzberg. Als Drogensüchtiger, Mitglied einer internationalen Autoschieberbande und durch Europa rasender Kurier landete er im Gefängnis.

Was auf den ersten Blick wie das Leben in zwei Welten erscheint, verbindet mehr miteinander als erwartet. Die ARD-Dokumentation „Lubi – Ein Polizist stürzt ab“ erzählt die Geschichte des Polizisten Rolf L., „der Verbrecher bekämpft und selbst zu einem Verbrecher wird“.

Produziert wurde der Film im Auftrag des SWR. Die 90-Minuten-Fassung zeigt die ARD am Montag (9. Oktober, 23.05 Uhr), die längere Serienfassung in vier Folgen läuft in der Mediathek. Die Serie basiert auf einem gleichnamigen Podcast.

Ausführlich kommt Rolf L., genannt Lubi, zu Wort und erzählt Zigarette rauchend seine Geschichte. Als ein junger Mann, „der immer die Action sucht“, auch im Nachtleben, wie es sein bester Freund in die Kamera sagt und von den gemeinsamen Interessen erzählt: „Autos, Sport, Politik, Frauen“.

Ergänzend berichten die anderen damals Beteiligten von der kriminellen Karriere des Polizisten, und deren Blickwinkel und Observationsfilme der Polizei machen die Geschichte erst richtig spannend und geben Einblicke in die Szene: der Bandenchef, der später zum Gegner wird, der gut gelaunte Profi-Autoknacker aus Polen, der sich mit Rolf L. anfreundet und zusammen mit ihm ins Gefängnis kommt, die Fahnder vom Landeskriminalamt, der Staatsanwalt und der Verteidiger.

Ende der 90er-Jahre war Rolf L. Polizist im Rotlicht- und Drogenmilieu. Er wollte da sein, wo etwas los war, erzählt er. Ein Berufsleben als Actionfilm, der ihn in den Abgrund ziehen wird. 1999 schießt ihm ein Krimineller mit einer Gaspistole ins Gesicht. Er raucht Marihuana, um nachts runterzukommen vom Adrenalin. Auch von Gewalt gegen Verdächtige berichtet Rolf L.: „Wenn es Widerstand gab, gab es meist auch irgendwelche gebrochenen Knochen - aber nicht bei mir.“ Reue ist dabei nicht zu hören, die Filmemacher unterlegen die Szene mit Bildern von Rolf L. beim Boxen, extra dafür aufgenommen.

Später wird er Fahnder im Görlitzer Park, Berlins bekanntestem Platz für Drogenhandel. Zugleich nimmt er seit 2015 Kokain. Bei der Polizei fallen weder Gewalt noch Drogen auf, er wird Teamführer, eine Beförderung zum Kommissar ist möglich. Beurteilt wird, er bleibe „auch im Umgang mit schwierigen oder aufgebrachten Adressaten polizeilicher Maßnahmen freundlich und sachlich“. Als Rolf L. wegen einer Wirbelsäulenverletzung in den Innendienst versetzt wird, steht er unter Schock. Die Suche nach dem Kick jenseits des Schreibtisches führt zur kriminellen Karriere.

Der Film ist eine Mischung aus Dokumentation und inszeniertem Spielfilm. Polizeieinsätze, Autobahnrasereien und Krankenhausszenen werden mit flackerndem Licht nachgestellt, die Band Extrabreit singt „Polizisten“. Rolf L. erzählt nicht nur, sondern tritt auch als Darsteller auf. Wenn er von seinen Fahrten durch Europa unter Koks erzählt, schwingt eine Art Reststolz mit.

Für eine Bande aus Autodieben und -schiebern aus Arabern, Polen, Litauern und Deutschen fragt er Daten aus den Polizeicomputern ab und agiert als Kurier. Für eine kurze Fahrt mit einem 300 000 Euro teuren Lamborghini, der gesucht wird, verlangt er völlig naiv 150 Euro, bekommt aber 5000. „Er war natürlich glücklich, er hat alles gemacht dann“, sagt der Bandenchef, der in großem Stil hunderte Luxusautos bis nach Asien verschiebt.

Rolf L. überführt gestohlene Autos in andere Städte in Europa, oft ist er tagelang wach und am Steuer, ständig auf Koks. Er filmt seine Fahrt über die Autobahn und den Tacho, der 250 Stundenkilometer zeigt. Mit manchen der gestohlenen Luxus-Sportwagen seien mehr als 300 Stundenkilometer möglich gewesen. Rolf L. spricht von einer „Sucht nach Geschwindigkeit“.

Geliefert werden die Wagen von einem Polen, der fröhlich und sympathisch lachend sein Leben als Profidieb schildert: „Man kann jedes Auto klauen, ohne Probleme, ich habe Tausende Autos geklaut in Berlin damals.“ Die Polizei habe ihn „Phantom“ genannt.

Mit elektronischem Hightech-Werkzeug werden die Autos geknackt und direkt in Garagen gefahren, wo sie umgespritzt werden. „Fünf Stunden später ist das Auto Geschichte“, sagt der damalige Dieb. Und über Rolf L.: „Er hat Autos geliebt.“ Dabei sei er ausgenutzt worden. „Ich habe ihn immer gefragt: Warum machst du die Scheiße?“ Und: „Er riskierte alles für seine Nase“, also für das Kokain.

Im Drogenrausch fährt Rolf L. auch privat mit gestohlenen Autos, sogar in den Urlaub mit seiner Familie. Er gerät in Kontrollen, wird vom LKA abgehört und observiert. Schließlich ist sogar Europol an der Bande dran. Bei einer Autoübergabe vergisst er seinen Ehering, zu Hause ist die Hölle los.

2018 trifft Rolf L. sich mit dem Autoknacker, dem die Observation der Polizei auffällt. Rolf L. hält das für Einbildung, da schlägt die Polizei schon zu. Es folgt eine Razzia mit 250 Polizisten und 16 Festnahmen. Wegen einer schweren Krankheit packt der Bandenchef vollständig aus. 2019 beginnt der Prozess gegen acht Angeklagte, darunter der Polizist.

Polizei und Staatsanwaltschaft präsentieren abgehörte Telefonate, Chatverläufe und Fotos aus den Handys. 2020 fällt das Urteil: vier Jahre Gefängnis, zuvor eine Entziehungskur im Krankenhaus. Im März 2022 geht Rolf L. in den Knast. 2023 werden die Haftbedingungen erleichtert, Rolf L. sieht seine Familie wieder. Er sagt: „Ich bin selber schuld daran, dass es so gekommen ist, wie es gekommen ist.“