Leberkäseland: Humorvolle Zeitreise
Das Thema Einwanderer ist gerade brandaktuell in Deutschland, auch im Fernsehen. Die ARD-Themenwoche Heimat bietet ein passendes Umfeld.

Berlin (dpa) - Flüchtlinge, Einwanderer, Gastarbeiter - das hat es in Deutschland immer schon gegeben. Das Thema ist derzeit aktueller denn je, und so ist auch die ARD-Themenwoche Heimat mit vielen Filmen und Dokumentationen im Fernsehen und Radio sehr aktuell.
An diesem Montag ist der Film Leberkäseland (20.15 Uhr) im Ersten zu sehen. Alles beginnt am Bosporus, in Istanbul. Ausgelassen feiert Latife (Neda Rahmanian) ihre bestandene Aufnahmeprüfung zum Mathematik-Studium. Sie ist eine der ersten Frauen in dieser Männer-Domäne, und das macht sie und ihren Ehemann Burhan (Murathan Muslu) besonders stolz.
Doch aus ihrer Abmachung, dass nach der Geburt der drei Kinder nun ihre Karriere an der Reihe ist, wird dennoch nichts. Nach dem überraschenden Tod seines Vaters muss Burhan dessen Zahnarztpraxis im fernen Deutschland übernehmen. Dort wird Latife von Schwiegermutter Seyran (Özay Fecht) erwartet, die von ihren akademischen Ambitionen gar nichts hält.
Die Ankunft im niederrheinischen Moers ist ein Kulturschock: Latife gerät in die erzkonservative Gesellschaft des braven Bürgertums und wird dort zur Hausfrau wider Willen. Aber sie arrangiert sich und kommt sogar mit dem spießigen Nachbarsehepaar (Katja Studt, Felix Klare) zurecht. Ihre drei Töchter wachsen zu selbstbewussten und selbstständigen Frauen heran, und schließlich kann Latife ihre akademische Laufbahn wieder aufnehmen: Studium, Promotion und Professur. Das und auch die Avancen des smarten Professors Martin (Johannes Zirner) bringen ihre Ehe jedoch in ziemliche Gefahr.
Der Film entstand nach dem Buch Tante Semra im Leberkäseland der Autorin Lale Akgün (62). Mein Buch besteht aus vielen Episoden und vielen Figuren, erzählt Akgün der Deutschen Presse-Agentur. Das Drehbuch hat eine Figur in den Mittelpunkt gestellt, nämlich meine Mutter. Anhand ihrer Geschichte wird auch die weitere Geschichte der Familie erzählt. In jedem Drehbuch muss es ja eine Heldenfigur oder eine Prinzessin geben, und das ist nun eben meine Mutter. Der Film macht - ebenso wie das Buch - eine Reise durch die Jahrzehnte.
Das sei im Roman relativ leicht zu erzählen, aber filmisch schon eine Herausforderung. Und sie fügt hinzu: Meine Mutter war kein pflegeleichter Mensch, und nach Deutschland wollte sie auch nicht. Sie hat überhaupt keinen Grund gesehen, ihr soziales Umfeld in der Türkei zurückzulassen und nach Deutschland zu gehen.
Sie tat es trotzdem, und Lale Akgün lebt seit ihrer Kindheit in Deutschland. Sie wuchs behütet in einer gebildeten Familie auf; ihr Buch ist ebenso amüsant wie interessant zu lesen - als eine etwas andere Integrationsgeschichte. Leider kann der Film (Regie: Nils Willbrandt) da nicht ganz mithalten: Es fehlt einfach eine geordnete Dramaturgie, wodurch vielen kleinen und banalen Anekdoten viel zu viel Raum gegeben wird. Somit wird die Familienchronik zwar ganz lustig, aber eben auch ziemlich unübersichtlich.
Dafür ist die Ausstattung formidabel: Kleidung, Möbel und vor allem die Autos bringen den Zuschauer mühelos in die 1960er und folgende Jahre zurück - und die hierzulande größtenteils unbekannten Schauspieler tragen durchaus ebenfalls dazu bei. Fazit: Eine unterhaltsame und humorvolle kleine Zeitreise, samt Wirtschaftswunder, Leberkäse und hochprozentigem Frauengold.