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Nur eine Handvoll Leben

Sie kann viel mehr als nur komisch. Im ARD-Familiendrama Nur eine Handvoll Leben spielt die Schauspielerin Annette Frier eine Schwangere vor der wohl schwersten Entscheidung ihres Lebens.

Von Elke Vogel, dpa 22.03.2016, 23:01

Berlin (dpa) - Die Diagnose ist ein Schock. Das ungeborene kleine Mädchen von Annette und Thomas ist schwer krank - wenn das Kind die Geburt übersteht, dann wird es wahrscheinlich kein sehr langes Leben haben.

95 Prozent der Paare in Ihrer Situation entscheiden sich für einen Abbruch, sagt der behandelnde Arzt. Doch ist das die richtige Entscheidung? Für das Kind? Für die Mutter und den Vater? Für die Geschwister?

In dem Familiendrama Nur eine Handvoll Leben (ARD, Mittwoch, 23. März, 20.15 Uhr) stellt diese Entscheidung eine frisch zusammengewürfelte Patchwork-Familie vor eine Zerreißprobe. Annette Frier (Danni Lowinski, Die Müttermafia-Patin) - sonst oft auf komische Rollen abonniert - glänzt in der sehr sensibel inszenierten WDR-Produktion (Regie Franziska Meletzky) mit ungeheuer intensivem Spiel.

Ausdrucksstark spielt die 42-jährige Frier die zwischen Verunsicherung, Angst, Trauer und Hoffnung taumelnde werdende Mutter. Mit ihrer zurückhaltenden und dafür umso überzeugenderen Spielweise macht die Schauspielerin den emotionalen Balance-Akt ihrer Figur für den Zuschauer erlebbar.

Das Kind solle kein erbärmliches, schmerzliches Leben haben, sagt Vater Thomas (Christian Erdmann), als er erfährt, dass das Ungeborene den Chromosomendefekt Trisomie 18 hat. Das sogenannte Edwards-Syndrom verursacht schwere körperliche Fehlbildungen und geistige Behinderungen. Annette aber will keine Abtreibung, sondern das Kind bis zu seinem möglicherweise raschen Tod begleiten. Die Zeit für eine Entscheidung wird knapp, denn Annette ist bereits in der 22. Schwangerschaftswoche.

Nur eine Handvoll Leben greift ein wichtiges, oft tabuisiertes Thema auf. Bei der Berlinale im vergangenen Monat hatte bereits ein Film über den Gewissenskonflikt einer mit einem schwer kranken Baby schwangeren Frau für Kontroversen gesorgt. Die Erfurter Regisseurin Anne Zohra Berrached rüttelte das Publikum mit ihrem Spätabtreibungs-Drama 24 Wochen (Kinostart 22. September) auf, in dem Julia Jentsch und Bjarne Mädel die Hauptrollen spielen.

Im anderthalbstündigen Fernsehformat gelingt es den Machern von Nur eine Handvoll Leben, viele heikle Fragen aufzuwerfen - ohne dem Zuschauer eine Meinung aufzudrängen. Erzählt wird ganz ohne Pathos und Betroffenheit, sondern mit großem Mitgefühl und spürbarer Lust am Leben. Und nicht nur der Charakter der schwangeren Annette ist fein gezeichnet (Drehbuch: Henriette Piper).

Thomas, der selbst Arzt ist, stößt in dieser schwierigen Lebenssituation, plötzlich an die Grenzen seines Glaubens an die Medizin. Zwischen Eifersucht und Sehnsucht nach den alten Familien schwanken die beiden halbwüchsigen Mädchen Julia und Eva (Aleen Jana Kötter und Ella Frey), die Annette und Thomas in die neue Beziehung mitgebracht haben. Das Schauspieler-Ensemble harmoniert vor der Kamera ausgesprochen gut miteinander.

Am Ende ist die Familie in Nur eine Handvoll Leben enger zusammengewachsen und findet die für sie richtige Antwort. Nachdenklichkeit und viele Fragen bleiben beim Zuschauer - ein wichtiger, berührender Film, der lange nachhallt.