1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Urlaub in der DDR: Beliebte Urlaubsziele - Von FKK an der Ostsee bis Balaton

Urlaub an der Ostsee Ferienreise ins Gestern: Erinnerung an die beliebtesten Urlaubsziele von DDR-Bürgern

"Wie der Osten Urlaub machte" - Der Sammelband zeigt die schönsten Ferienorte der DDR. Darunter nicht nur der beliebte FKK-Urlaub an der Ostsee, sondern auch das schwarze Meer in Bulgarien.

Von Kai Agthe Aktualisiert: 15.06.2023, 15:23
An der Ostsee war besonders auch der FKK-Strandurlaub bei DDR-Bürgern beliebt.
An der Ostsee war besonders auch der FKK-Strandurlaub bei DDR-Bürgern beliebt. Foto: IMAGO/Harald Lange

Halle (Saale) - „Hoch stand der Sanddorn am Strand von Hiddensee“, röhrte die junge Nina Hagen im Jahr 1974 - anfangs wohl nicht ahnend, dass sie eine Urlaubshymne für die Menschen in der DDR schaffen würde. Doch anstatt die Ferien auf der beschaulichen Insel südwestlich von Rügen zu genießen, ist das Ich im Lied, das zufällig Nina heißt, auch nach der Heimkehr noch erbost, weil ihr Begleiter die Sommertage auf dem lütten Eiland nur in Schwarz-Weiß-Bildern festgehalten hat. „Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael“, lautet denn auch Ninas im Refrain vorgebrachter Vorwurf an den bemitleidenswerten Fotografen.

Der Sammelband „Wie der Osten Urlaub machte“ , der in „Die schönsten Ferienorte der DDR“ entführt, lässt den Hagen-Hit natürlich nicht unerwähnt. Der Untertitel des Buches ist aber umfassender zu verstehen, denn es wird nicht nur an Urlaube an der Ostsee, im Thüringer Wald und im Erzgebirge erinnert. Zu den schönsten Ferienorten der DDR-Bürger werden neben dem ungarischen Balaton auch das Schwarze Meer in Bulgarien gezählt.

FKK: DDR-Bürger nahmen sich die Freiheit, in den Ferien die Hüllen fallen zu lassen

Zu Beginn steht nicht von ungefähr eine Betrachtung über die freizügigste Form des Urlaubs: die Freie Körperkultur, die, kaum war die DDR gegründet, an den FKK-Stränden gepflegt wurde, obwohl der Staat mit Freizügigkeit jeder Art zeit seiner 40-jährigen Existenz bekanntlich Schwierigkeiten hatte.

Doch die Menschen nahmen sich wenigstens die Freiheit, in den Ferien die Hüllen fallen zu lassen. „Denn die menschliche Freiheit ist nicht ablösbar von der kreatürlichen Freiheit“, wie die Publizistin Kerstin Decker im Beitrag „Warum das FKK-Volk mit der Wende seine Freiheit verlor“ notiert, an dessen Ende das schöne Fazit über die DDR steht: „Sie war vielleicht ein kleines Land, aber sie war die Grande Nation des Nacktbadens.“

Die Ferienfahrt durch die Erinnerungen an den Ostseeurlaub beleuchtet nicht nur den textilfreien Strand, sondern auch die Unterkünfte an dem einzigen für DDR-Bürger problemlos erreichbaren Meer. Uli Jeschke etwa beschreibt Zelt- und Wohnwagen-Urlaube, Strandburgen und Windfänge auf Usedom, während Bettina Klemm rückblickend feststellt, dass damals Platz in der kleinsten Hütte war, womit sie auf jene Bungalows anspielt, die so mancher DDR-Betrieb entlang der Ostseeküste als Betriebsferienlager errichten ließ.

Wer nicht das Glück hatte, im Urlaub privat unterzukommen, der konnte nur darauf hoffen, über den Feriendienst des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) einen Urlaubsplatz zu ergattern. Das war bis 1989 ein Kunststück, obwohl der FDGB, wie Klaus Behling weiß, am Ende der DDR über 698 Ferienheime mit 57 366 Plätzen verfügte.

Lesen Sie auch: Endlager der Träume: Lost Place -Zeitmaschine am Ostseestrand

Cocktails im „Panorama“ in Oberhof

Die standen nicht nur an der Ostsee, sondern auch in anderen Teilen der DDR: Das erst vor gut zwei Jahren abgerissene Ex-FDGB-Heim „Herbert Warnke“ in Klink an der Müritz war eines der größten, das wie ein Interhotel ausgestattete FDGB-Erholungsheim „Rennsteig“ in Oberhof eines der exklusivsten.

Einen sommerlichen Ausflug in das Städtchen im Thüringer Wald mit seinen Eltern in der tiefsten DDR beschreibt im Buch Daniel Bergner - und damit eine Zeit, „die wohl nie so idyllisch war, wie ich sie mir inzwischen vorstelle oder mich ihrer erinnere“. Dennoch weiß der Autor sehr anschaulich zu berichten, wie sich sein Vater für die Familie einen Mittagstisch im Interhotel „Panorama“ erkämpfte, das wegen seiner an zwei Sprungschanzen gemahnenden architektonischen Gestalt eine der bekanntesten Herbergen der DDR war.

Wer das Glück hatte, als FDGB-Gast im 1969 eröffneten „Panorama“ Urlaubstage verbringen zu können, wird noch heute von opulenten Büfetts, Kaminabenden, Cocktail-Spezialitäten und der Schwimmhalle schwärmen.

Und bevor die Reise ins sozialistische Ausland geht, werden im Buch auch jene Ferienaufenthalte thematisiert, bei denen Eltern nicht zugegen waren: Im Ferienlager und im Kinderkurheim wurde jungen Menschen Selbstständigkeit und das Leben in der Gruppe, die damals Kollektiv und nicht Team hieß, beigebracht.

Ein Hauch exotischer Ferne

Waren die Weltmeere den DDR-Bürgern auch weitgehend verschlossen - es sei denn, sie waren mit dem FDGB-Traumschiff „Fritz Heckert“ oder deren Nachfolgerinnen „Völkerfreundschaft“ oder „Arkona“ unterwegs -, dann galt ein Aufenthalt am Schwarzen Meer in Bulgarien als das Nonplusultra für Strandurlaub, weil man an den Küsten des Bruderlandes einen Hauch exotischer Ferne verspüren konnte.

Zu DDR-Zeiten begehrt als Urlaubsdomizil: das Hotel „Panorama“ in Oberhof
Zu DDR-Zeiten begehrt als Urlaubsdomizil: das Hotel „Panorama“ in Oberhof
Foto: IMAGO/foto2press

Doch wer etwas auf sich hielt oder keinen Urlaubsplatz in Burgas oder Warna bekam, der blieb in der DDR und stimmte ab 1984 in das - auf das Land der begrenzten Urlaubsmöglichkeiten gemünzte - Lied „Sommer, Sonne, Sonnenbrand“ der Ost-Berliner Spaßband Possenspiel ein, in dessen Refrain es heißt: „Ja, die Ostsee macht was her, / was soll’n wir denn am Schwarzen Meer?“, bevor das Stück mit der nicht minder witzigen Schlusswendung ausklingt: „Radio von Robotron, / was soll’n wir denn am Balaton?“

Wie der Osten Urlaub machte - Die schönsten Ferienorte der DDR“, Verlag Bild und Heimat, 174 S., 14,99 Euro (mz)