Wolfgang Laib: Die Schönheit des Blütenstaubs
Blütenstaub, Wachs und Milch: Wolfgang Laib schafft seit Jahrzehnten eine einzigartige Kunst aus Stoffen der Natur. Dafür wird der gebürtige Schwabe jetzt mit dem wohl wichtigsten Kunstpreis der Welt geehrt.
Düsseldorf (dpa) - Das Material für die leuchtend gelben Farbteppiche von Wolfgang Laib passt in einige wenige Weckgläser. Doch es dauert bis zu 20 Jahre, bis er genug Pollen für ein solches Kunstwerk zusammen hat.
Laib streut in den renommierten Museen der Welt wunderschöne Farbfelder aus Blütenstaub. Eigenhändig sammelt er jedes Jahr auf den Wiesen seiner schwäbischen Heimat nahe dem Bodensee Pollen von Löwenzahn, Haselnuss oder Kiefern.
Nicht nur sein in der Kunst wohl einzigartiges Material macht den 65-Jährigen zu einer Ausnahmeerscheinung in der internationalen Kunstszene. Eine Kunstakademie hat Laib nie besucht, er studierte einst Medizin und ist Dr. med. Am 21. Oktober wird der weltweit gefragte Künstler, der in New York, Indien und in Hochdorf an der Riß bei Biberach lebt, mit dem wohl wichtigsten Kunstpreis der Welt, dem japanischen Praemium Imperiale, geehrt.
Blütenstaub, Wachs, Milch und Reis - das sind die organischen Stoffe, aus denen der Sohn einer pietistischen Arztfamilie Kunst macht. Ich bin ein total altmodischer Künstler, sagt Laib im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Andere Künstler haben bis zu 100 Mitarbeiter, ich habe gar keinen. In meinem Atelier bin ich allein.
Allein sammelt Laib seit Jahrzehnten auch Pollen. Das ist physisch sehr anstrengend. Löwenzahn hat sehr wenig Blütenstaub. Wenn ich ein Glas sammele, dann kommen 60 mal 80 Zentimeter raus. Das Größte, was er jemals gemacht hat, war ein 7 mal 8 Meter großer Farbteppich im Museum of Modern Art in New York. Da hatte ich den Haselnuss-Blütenstaub von 20 Jahren. Nach einer Ausstellung sammelt er die wertvollen Millionen Pollen wieder ein und bewahrt sie in Weckgläsern auf.
Sein Einstieg in die Kunst war für Laib eine direkte Reaktion auf die Unzufriedenheit mit dem Medizinstudium. Dass das menschliche Dasein nur der naturwissenschaftliche Körper ist, damit konnte ich mich nicht abfinden, sagt er. Ich habe in diesem künstlerischen Werk realisiert, was ich als Arzt wollte, aber in den Krankenhäusern nie machen konnte.
Geprägt ist Laibs meditative Kunst von der indischen Philosophie. Schon als Kind hatte der 1950 geborene Laib über seine Eltern, die ein Dorf in Südindien unterstützten, eine enge Beziehung zu dem Land. Laib studierte während seines Medizinstudiums auch Indologie und Sanskrit.
Laib trägt eine kleine kreisrunde Hornbrille und hat schmale Lippen. Nicht nur wegen dieser Brille und der feinen Gesichtszüge wird ihm häufig eine Ähnlichkeit mit dem Schriftsteller Hermann Hesse (1877-1962) zugeschrieben. Auch Hesse stammte aus einer schwäbischen pietistischen Familie, Hesses Eltern waren ebenso wie Laibs Eltern in Indien tätig, und in Hesses berühmtem Buch Siddhartha fließt die indische Weisheitslehre ein.
Doch auch wenn Laib in seiner hellen schlichten Kleidung und dem leisen Auftreten wie ein Mönch wirkt, so ist er doch ganz im Hier und Jetzt. Er sei auch kein Buddhist, betont er. Ich bin sehr frei, ich bin ein Künstler, das ist sehr wichtig.
An seine Kunst stellt Laib höchste Ansprüche. Seine erste Ausstellung hatte er mit 26 Jahren in Stuttgart. Danach sagte ich, ich möchte in der besten Galerie der Welt ausstellen. 1975 gestaltete Wolfgang Laib seinen ersten Milchstein, eine Marmorplatte mit Vertiefung, die mit Milch gefüllt wird, so dass eine seidig schimmernde Fläche entsteht. Laib zeigte dem innovativen Düsseldorfer Galeristen Konrad Fischer seine Milchsteine. Das habe ich ja in meinem Leben noch nie gesehen, habe Fischer gesagt und ihn nach New York gebracht.
Später begann Laib, mit Reis zu arbeiten. Seine Häuser aus Marmor und Reis erinnern an mittelalterliche Reliquienschreine. Aus unzähligen kegelförmigen Reishäufchen schuf er Reisteppiche. Seit 1987 verwendet Laib auch Bienenwachs und formt ihn beispielsweise zu pyramidenartigen Skulpturen, Schiffsrümpfen und kleidet damit ganze Räume aus.
Mein Werk ist in Deutschland für viele eine richtig große Herausforderung, weil es so anders ist, sagt Laib. Ich komme nicht von einer Akademie, und dann noch aus einem Ort in Süddeutschland. Der Schnelllebigkeit und dem Hype auf dem Kunstmarkt setzt Laib Ruhe, Zeit und Spiritualität entgegen.