100 Jahre Friedrichstadt-Palast Berlin Zur Eröffnung scherzt O. F. Weidling mit dem Genossen Mittag
Berlin (gw) l Die Wurzeln des Hauses reichen weit zurück. Bereits 1910 hat Max Reinhardt die Arena des damaligen Circus Schumann bespielt, noch im ursprünglich als Markthalle errichteten Bau am Schiffbauerdamm. Als Reinhardt 1919 dort das Große Schauspielhaus gründete, schuf Architekt Hans Poelzig in seinem Auftrag einen großen Theaterbau mit 3500 Plätzen. 1924 wird Erik Charell Direktor. Er holt Stars wie Marlene Dietrich, Claire Waldoff, La Jana und die Comedian Harmonists auf seine Bühne. Charell prägt die "Goldenen Zwanziger". Revuen und Operetten feiern Erfolge.
1934 wird das Haus in "Theater des Volkes" umbenannt. Operette wird gezeigt, "Frau Luna" gibt es 400 Mal vor ausverkauftem Haus. 1936 wird das Haus Schauplatz für Großaufführungen der Naziorganisation "Kraft durch Freude". 1944 kriegsbedingte Schließung. Nach dem Krieg und Zerstörungen wird das Haus als "Palast-Varieté" mit 3500 Plätzen durch die Artistin Marion Spadoni wiedereröffnet. 1947 wird es in Friedrichstadt-Palast umbenannt.
Anfang der 1960er Jahre treten Weltstars wie Ella Fitzgerald, Juliette Gréco oder Gilbert Bécaud auf, 1972 wird der erste "Kessel Buntes" ausgestrahlt.
1980 muss das Haus wegen maroder Bausubstanz geschlossen und später abgerissen werden. Der Untergrund hatte sich gesenkt, der Bau war statisch verzogen.
Am 27. April 1984 wird der neue Palast an der Friedrichstraße 107 mit modernster Technik und 1895 Plätzen neu eröffnet. In der ersten Reihe sitzt die SED-Staatsspitze. Über ihren Köpfen fliegt DDR-Conferencier O. F. Weidling in einem goldenen Gefährt ein. Er ist spitzzüngig, spricht unter anderem die Geschichte an und erinnert daran, wie Sachsen einst nach Preußen Waren liefern musste. "Dieser schönen Tradition ...". Weidling bricht ab. Gelächter im Publikum, Beifall. "Genosse Mittag hat nicht gelacht", sagt Weidling. "Doch, jetzt schmunzelt er." Ein Teil der Eröffnungs-Moderation wird für das Fernsehen gekürzt. Weidling erhält danach quasi Auftrittsverbot.
In der Wende-Zeit sinken die Besucherzahlen.
1993 übernimmt Alexander Iljinskij (bis 2004) die Leitung des Hauses und rettet nach der Wende das von Abwicklung bedrohte Haus vor der Schließung. In dieser Zeit wird das Haus in eine landeseigene GmbH überführt. 2007 ist die Feier zum 60-jährigen Namensjubiläum Friedrichstadt-Palast. Heute will das Haus den kürzeren Namen "Palast" etablieren.
Über die Geschichte des Theaterviertels können sich Besucher in einer Dauerausstellung informieren. Sie wurde vor vier Jahren im Foyer eröffnet.