Unter der Überschrift „Was Leser wissen wollen und dennoch ablehnen“ hatte ich vor einer Woche auf eine aktuelle Studie zum Umgang der Leser mit dem Absturz des Germanwings-Airbus aufmerksam gemacht. Diese belegte den Zwiespalt, in dem sich Leser wie auch Redaktionen befinden. Denn es zeigte sich ein Widerspruch zwischen einem umfassenden Informationsbedürfnis der Leser auf der einen und ihrer Kritik an der Berichterstattung auf der anderen Seite. Selbst als seriös geltende Medien mussten sich den Vorwurf gefallen lassen, ihre Berichterstattung sei sitten- und pietätlos gewesen.
Wie wütend und enttäuscht viele Leser waren, lässt sich nicht zuletzt an der Zahl der Beschwerden ermessen, die zu Berichten über den Absturz des Germanwings-Flugs beim Presserat eingegangen sind, nämlich rund 430. „Noch nie gab es so viele Beschwerden zu einem einzelnen Themenkomplex“, erklärte Presseratssprecher Tilmann Kruse. Zum Vergleich: Zur Berichterstattung über die Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg 2010 hatte es 241 Beschwerden gegeben und im gesamten Jahr 2014 waren beim Presserat rund 2000 Beschwerden eingegangen.
Wie Kruse erläuterte, hätten sich zum Germanwings-Unglück überwiegend Privatpersonen mit Kritik an vielen Teilaspekten der Berichterstattung gemeldet. Dabei sei es um die Frage gegangen, ob über den Copiloten identifi zierend, das heißt mit Nennung des vollen Namens und Foto, berichtet werden durfte. Thema sei auch die Veröff entlichung von Opferfotos und Opfergalerien, die Frage des Schutzes der Angehörigen von Copilot und Opfern, eine möglicherweise unangemessen sensationelle Berichterstattung oder die Frage der Vorverurteilung, so Kruse. Die Redaktion der Volksstimme hatte nach Abwägen des presserechtlich und presseethisch Gebotenen beschlossen, den abgekürzten Nachnamen des Copiloten zu verwenden und dessen Bild mit Balken zu versehen. Die Beschwerdeausschüsse des Presserats sollen am 2. und 3. Juni zur abschließenden Beratung zusammenkommen.