Der Spuk hatte glücklicherweise schnell ein Ende. Ahmed Mansur war wieder ein freier Mann, nachdem er zwei Tage und Nächte in der Berliner Justizvollzugsanstalt Moabit hatte verbringen müssen. Allerdings, Fragen bleiben: Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass der bekannte „al-Dschasira“-Journalist, den ein Strafgericht in Kairo im vergangenen Jahr in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt hatte und dem in Ägypten möglicherweise die Todesstrafe droht, auf dem Flughafen Berlin-Tegel von der Bundespolizei festgenommen wurde? Wie konnte ein offensichtlich politisch motiviertes Fahndungsersuchen der ägyptischen Justiz in Deutschland auf offene Ohren stoßen? Wird es darauf je eine überzeugende Antwort geben? Wohl nicht.
Dabei hätten es die deutschen Behörden besser wissen können. Der Verein „Reporter ohne Grenzen“ (ROG), ein internationales Netzwerk, dessen deutsche Sektion seit 1994 von Berlin aus aktiv ist, dokumentiert Verstöße gegen die Presse- und Informationsfreiheit weltweit und alarmiert die Öffentlichkeit, wenn Journalisten und deren Mitarbeiter in Gefahr sind. Auf der von ROG erstellten Rangliste der Pressefreiheit nimmt Ägypten Platz 158 (von 180) ein. In dem Land am Nil gingen Regierung und Justiz systematisch gegen Medien mit Verbindungen zur Muslimbruderschaft vor und seien Militärprozesse gegen Journalisten unverändert möglich, prangert ROG an. Gegenwärtig befänden sich dort zehn Journalisten und ein Online-Aktivist in Haft. Vor dem Deutschland-Besuch von Präsident Abdelfattah al-Sisi hatte ROG Ägypten zur sofortigen Freilassung aller inhaftierten Journalisten aufgefordert. Unter ihnen sind Abdullah al-Facharani, Samhi Mustafa und Mohamed al-Adli, verurteilt am 11. April dieses Jahres „wegen Verbreitung von Chaos und falscher Informationen“ zu lebenslanger Haft.
2014 waren in Ägypten insgesamt 46 Journalisten zumindest vorübergehend festgenommen worden, am Jahresende saßen mindestens 16 von ihnen noch im Gefängnis – laut ROG so viele wie in kaum einem anderen Land der Welt.