Wortwahl "Anscheinend" oder "scheinbar" - was denn nun?
Ein Volksstimme-Leser bemängelt die falsche Verwendung der Wörter "anscheinend" und "scheinbar". Doch wann wird welches genutzt?
Anscheinend gerät auch in der Volksstimme der Gebrauch von „anscheinend“ und „scheinbar“ immer wieder mal durcheinander. Dies legt zumindest die Zuschrift eines Lesers aus Magdeburg nahe. Er bemängelte an einem Artikel, „der Autor verwechselt ,scheinbar‘ und ,anscheinend‘“. Fast schon entschuldigend fügte er jedoch hinzu: „– was in unserer Region besonders häufig geschieht.“
An dieser Beobachtung des Magdeburgers ist was dran. In der Tat wird umgangssprachlich oft „scheinbar“ im Sinne von „anscheinend“ verwendet. Was im Grunde nicht weiter verwunderlich ist, denn „die Unterscheidung zwischen den beiden Wörtern ist relativ jung, sie wurden erst im 18. Jahrhundert gegeneinander abgegrenzt und differenziert“, erläutert der Duden („Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle“, Mannheim 2016).
Für viele Leute sind beide Wörter also schlechthin gleichbedeutend. Hinzu kommt: „,Scheinbar‘ ist kürzer, knackiger, praktischer. Wozu sich also mit ,anscheinend‘ bemühen?“, so die rhetorische Frage von Bastian Sick, der als Verfasser der sprachpflegerischen Kolumne „Zwiebelfisch“ und der daraus entstandenen Buchreihe „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ bekannt wurde. In den „Sprachnachrichten“ des Vereins Deutsche Sprache legte er dar, dass es „einen triftigen Grund“ für solches Bemühen gebe. „Denn zwischen ,scheinbar‘ und ,anscheinend‘ besteht ein nicht unerheblicher Unterschied. Während man mit anscheinend eine Vermutung zum Ausdruck bringt, die man für zutreffend hält, gibt scheinbar einen Eindruck wieder, der in Wahrheit nicht zutrifft.“
Der Duden erläutert dies an Beispielen. „Mit ,anscheinend‘ wird die Vermutung zum Ausdruck gebracht, dass etwas so ist, wie es erscheint: Er ist anscheinend krank. Anscheinend ist niemand im Haus. Sie hat anscheinend Schweres erlebt. Das Adjektiv ,scheinbar‘ sagt, dass etwas nur dem äußeren Eindruck nach, aber nicht in Wirklichkeit so ist, wie es sich darstellt: Die Zeit stand scheinbar still. Der Widerspruch ist nur scheinbar.“
Anscheinend ist die Sache also doch ganz einfach.