Ausgefallene Fahrräder Cruisen, posen, manchmal hüpfen: Fun-Faktor im Sattel
Es gibt Exoten mit Pedalen - denn nicht jeder Kunde möchte ein normales Trekkingrad oder elektrisches Mountainbike. Viele Fahrräder für die Nische sorgen für die Extra-Portion Spaß im Sattel.
Berlin - Wild geschwungene Oberrohre, ein „Tank“ im Motorrad-Look, lange Sitzpolster, lässige Sitzhaltung oder doch kleine Räder und quirliges Fahrverhalten? Es gibt Fahrräder für die sommerliche Leichtigkeit im Sattel. Räder zum Cruisen und Tricksen, die auch optisch aus dem Rahmen fallen.
Diese Fun-Bikes sind Fahrräder für die Extra-Portion Spaß, mit denen man den Alltag vielleicht noch einen Schuss besser hinter sich lassen kann als dies mit einem Fahrrad ohnehin möglich ist. Wir haben einige Typen und Modelle zusammengetragen, die sich in der Marktstatistik des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) irgendwo in der Gruppe „Sonstige“ verbergen - die selbst nur rund ein Prozent der 2020 rund fünf Millionen in Deutschland verkauften Fahrräder und E-Bikes ausmacht.
Klassiker der Fun-Bikes: Das BMX
Immer ein wenig stehend fahren, kleine Hindernisse überspringen, ein bisschen posen, alles dabei: „BMX sind vermutlich die Spaßräder schlechthin“, sagt Thomas Geisler vom Pressedienst Fahrrad (pd-f). „Sowohl für Jugendliche als auch für jung gebliebene Erwachsene ist es eine passende Wahl.“
BMX-Räder haben ihren Ursprung in den USA der 1960er Jahre und erlebten in Europa spätestens Anfang der 1980er Jahre einen Boom - befördert auch durch prominente Kinoauftritte wie in „E.T.“ von Steven Spielberg. Mittlerweile gibt es bei Olympia BMX-Wettbewerbe.
Typische Merkmale: Kleiner Rahmen, keine Gangschaltung, 20-Zoll-Räder, hoher Lenker mit Querstrebe. Hersteller sind unter anderem Haro, Sunday, Verde Bikes, Sibmx oder United. Deutsche Marken sind etwa Wethepeople oder KHE, die Kompletträder ab rund 470 Euro beziehungsweise 250 Euro anbieten. Auch BMX-ähnliche Bikes mit größerem Rahmen für größere Laufräder gibt es - zum Beispiel von der Marke Surly (Modell Lowside; ab rund 890 Euro). BMX-Gene trägt auch das Dave Dirt Jump mit 26-Zoll-Bereifung von Cannondale (1199 Euro) - ein Fun-Bike auch für den Bikepark.
Mit langem Sitzpolster: Das Mofa 2.0
Als Variante mit Verbrennungsmotor sind sie schon lange aus der Mode gekommen: Kleinkrafträder, Mofas, einst auch Mokicks genannt. Doch als E-Bike-Variante gibt es ein paar Wiedergeburten. So bewirbt der Berliner Hersteller Urban Drivestyle sein Modell UNI MK mit den Worten: „Supercooler Moped-Look, nur ohne Auspuff.“
Das Modell kann bis zu 150 Kilo zuladen - genug für Freund oder Freundin, die auf dem laut Hersteller „längsten Fahrradsitz der Welt“ mitfahren können. Dieser misst demnach 78 Zentimeter, kann aber auch mit einer optionalen Sitzverlängerung geordert werden, dann hat man gut einen Meter Polster unter dem Po. Das Pedelec mit Hinterrad-Nabenmotor, 684-Wh-Akku und dem großen runden Frontscheinwerfer kostet ab 2700 Euro.
Zum gleichen Preis gibt es das ähnlich konzipierte E-Bike Lil’Buddy mit Sitzbank für Fahrer und Buddy von Ruff Cycles mit Sitz in Regensburg, laut Hersteller eine Hommage an die Bonanza-Bikes der 1970er Jahre. Kostengünstigere Alternative der Fun-Bikes mit langem Sitzpolster ist das ZG der amerikanischen Marke Super73 mit geringerer Reichweite, das im August für 1599 Euro auch in Deutschland auf den Markt kommen soll.
Für Strand und Boulevard: Das Cruiser Bike
Sie haben weit geschwungene Rahmenrohre, die Sitzhaltung ist maximal entspannt: Vielleicht kein anderer Fahrradtyp lässt so sehr an Palmen, Sonne und Sandstrand denken wie der Beach Cruiser. Weitere Merkmale sind ein reichlich gefederter Sattel, Ballonreifen, ein breiter, gekrümmter Lenker und oft weit vorn liegende Tretlager, die schon andeuten: Um maximale Kraftausbeute geht es weniger, als lässig umher zu kreuzen (to cruise) - über Strandboulevards, durch Wochenenden und Urlaube.
Hersteller dieser Nischen-Bikes, die schon vor über 100 Jahren aufkamen, sind zum Beispiel United Cruiser (Modell Beach Cruiser ab 599 Euro), das es auch mit Pendix-Nachrüstmotor gibt, oder Electra (Modell Cuiser Lux 7D ab 499 Euro). Die Electra-Markengründer, zwei Deutsche, ließen sich von der Strandkultur „unter der Sonne Kaliforniens“ zu Lifestyle-Rädern inspirieren, die es mit Bosch-Mittelmotoren gerüstet ebenfalls als E-Bikes gibt.
Fast ein Motorrad: Café Racer und andere Maschinen
Der Übergang vom Cruiser ist oft gleitend, aber es gibt Fahrradtypen mit vielen Schwüngen in der Rahmengeometrie, bei denen man sofort an ein Motorrad denkt - weil sie ein paar Anleihen mehr an schwere Maschinen machen.
Zum Beispiel an den Café Racer, einst ein „sportlich umgebautes englisches Serienmotorrad der 1960er Jahre“, Sinnbild der damaligen Londoner Undergroundszene, wie Hersteller Varaneo auf seiner Website schreibt. Sein Fahrradmodell nennt er auch nur schlicht Café Racer“. Laut Varaneo ruft das Modell mit gebogenem Lenker, tiefer Sitzbank, großem Frontscheinwerfer und dem 626-Wh-Akku im angedeuteten Tank „zum Aufstand gegen den Fahrradmainstream auf“ - Kostenpunkt für das E-Bike mit Bafang-Heckmotor: 2690 Euro.
Teurer und mit hochpreisigen Komponenten wie einer Enviolo-Stufenlosschaltung und Bosch-Mittelmotor ausgestattet ist das E-Bike-Modell The Ruffian von Ruff Cycles mit ledernem Cruiser-Sattel, „Tank“, in dem die Batterie sitzt, und jeder Menge Motorrad-Charme (ab 4999 Euro). Ein vollausgestattetes Urbanbike für den Alltagseinsatz, das mit Motorrad-Optik spielt, ist das TRB1 Urban von Besv mit Brose-Mittelmotor (3599 Euro).
Doppelt und dreifach: Spezial-Tandems
Zu zweit zu radeln auf einem Bike ist ein besonderer Spaß. Man teilt das Erlebnis des Unterwegsseins auf direkte Weise; Tandems sind schnell, da zwei Beinpaare strampeln - oder mehrere, denn Tandems werden auch für mehrere Beifahrer gebaut.
Dass es Renntandems gibt, ist naheliegend, aber auch MTB-Tandems wie von Poison Bikes (Modell Dioxin Sport, ab 2309 Euro) oder Lapierre gibt es (ab rund 3000 Euro), nur: Sie sind selten am Markt, da die Nachfrage äußerst gering ist und Teile wie Federgabeln schwer zu bekommen sind. Vergleichsweise neu sind Gravel-Tandems wie sie zum Beispiel Santana (Modell Journey mit Gravel-Ausstattung: cira 13 000 Euro) oder Co-Motion anbieten (Modell Steelhead, ab 8700 Euro; Modell Kalapuya, ab 9900 Euro).
Spaß für die ganze Familie
Damit an Fahrradtouren auch die ganze Familie Spaß hat, wurde das Modell Periscope von Co-Motion (Modell Periscope Scout, 3980 Euro) entwickelt. Mit dem sollen sich laut Hersteller auch relativ weite Strecken bewältigen lassen, ohne dass der Nachwuchs ermüdet. Weil sich der Sattel hinten sehr tief versenken lässt, können nicht nur Erwachsene die Rolle des Beifahrers übernehmen, sondern auch Kinder ab bereits fünf Jahren und zirka 1,20 Meter Körpergröße.
Auch als Tridem oder Triplet, wie sich Tandems für drei Personen nennen, kann das Periscope bestellt werden. Vergleichbares Familien-Tandem für drei ist das Modell Cabrio von Santana, das auf Kundenwunsch gebaut wird - auch als Triplet für über 20.000 Euro.
Man ahnt es: Die Lieferzeiten solcher und anderer Bikes für Spaß und spezielle Zwecke liegen oft bei mehreren Monaten, wie auch Oliver Nekola vom Co-Motion-Importeur HPV-parts bestätigt. Dass der Spaß nicht immer teuer sein muss, zeigen dagegen die BMX-Räder.