Autotest Ist der Aceman Minis neues Ass im Ärmel?
Der Cooper ist vielen eine Nummer zu klein, der Countryman für einen Mini recht maxi – mit dem Aceman will es die BMW-Tochter deshalb allen recht machen. Zumindest allen, die an die Zukunft glauben.
Berlin - Es waren zwölf aufreibende Monate bei Mini: Nachdem die BMW-Tochter jahrelang nichts Neues zu bieten hatte, hat sie jetzt die gesamte Flotte einmal ausgetauscht - und sich das vielleicht Beste für den Schluss aufgehoben.
Denn in die Lücke zwischen dem noch immer ziemlich kurzen normalen Mini und dem ganz schön großen Countryman rückt jetzt über den Jahreswechsel zu Preisen ab 30.650 Euro der nagelneue Aceman. Damit liegt er 2.500 Euro über einem vergleichbaren Cooper und rund 7.000 Euro unter dem Countryman.
Zielgenau in die Lücke
Der Dritte im Bunde ist nicht nur bei der Länge in der Mitte, weil er mit seinen 4,08 Metern den Dreitürer um 20 Zentimeter überragt und 35 Zentimeter unterhalb des Countryman bleibt.
Sondern auch beim Design bemüht er sich um einen Kompromiss: Glupschaugen und Pausbacken haben alle Minis. Aber während der Cooper vielen zu flach und zu zivil ist und der Countryman zu sehr nach Landlust aussieht, gibt der Aceman den modernen Stadtgeländewagen.
So wie auch viele Städter gerne mal Trailrunning-Sneaker anziehen und eine Funktionsjacke überwerfen, steht er ein bisschen höher, leistet sich ein paar Plastikplanken und sogar einen angedeuteten Unterfahrschutz. Im Gegensatz zum großen Bruder aber will er kein echter Offroader sein. Allradantrieb zum Beispiel gibt es nicht mal gegen Aufpreis.
Mehr Platz in der digitalen Spielbude
Innen sind sich alle Mini-Modelle dagegen sehr viel näher. Klar, die Platzverhältnisse sind bei 2,61 Metern Radstand im Aceman etwas großzügiger als im Cooper (2,52 Meter), doch nicht so rundum wie im Countryman mit seinen 2,69 Metern.
Aber wo sonst allenfalls Grundschüler bequem sitzen, fahren hier jetzt auch Teenager bis zur Mittelstufe leidlich bequem, und der Kofferraum fasst bei 300 Litern auch all ihre Ranzen. Wie immer prangt oberhalb der Mittelkonsole ein pizzagroßes Display, das als zentrales Anzeigeinstrument dient und als Bühne fürs digitale Infotainment. Normale Instrumente gibt es dafür nicht mehr.
Digital Natives und die Generation Playstation werden dabei von verspielten Grafiken schwärmen und von elektronischem Budenzauber bis hin zu den Jingles, die beim Wechseln der Profileinstellungen eingespielt werden.
Altgedienten Autofahren fällt es dagegen bisweilen schwer, in den überladenen Anzeigen den Überblick zu behalten und das verzückte Schmunzeln weicht schnell einem Stirnrunzeln. Und ja, auch die vegane Materialauswahl spaltet die Lager, weil die einen sie modern und nachhaltig finden und die anderen dem Leder hinterherweinen, das man bei einem selbst erklärten „Premium Kleinwagen“ erwarten dürfte.
Einig sind sich aber alle wahrscheinlich beim Urteil über das Head-up-Display mit seiner ausklappbaren Plastikscheibe, die mittlerweile einfach aus der Zeit gefallen ist.
Ausschließlich elektrisch
Mit der Zeit geht Mini dagegen beim Antrieb, oder ist ihr je nach Sicht der Dinge sogar etwas voraus. Denn anders als seine beiden Brüder gibt es den Aceman ausschließlich elektrisch. Schließlich wurde er nicht nur gemeinsam mit dem Kooperationspartner Great Wall Motors in China entwickelt, sondern er wird auch ausschließlich dort produziert.
Dabei bietet Mini die Wahl zwischen einem 135 kW/184 PS starken E-Motor, der bis zu 160 km/h ermöglicht, oder einer Maschine mit 160 kW/218 PS für bis zu 170 km/h. Der John Cooper Works als sportliche Speerspitze verfügt über 190 kW/258 PS und wird erst bei Tempo 200 wieder eingefangen.
Auch ohne Seele ein Sportler
Natürlich fehlt dem Stromer die Seele und kein Soundgenerator der Welt kann echten Motorklang ersetzen, ohne den sich ein Auto immer nach Playstation anhört. Doch mit dem tiefen Schwerpunkt und dem spontanen Antritt passt der E-Antrieb perfekt zum vielbeschworenen Go-Kart-Gefühl.
Er ist giftig und gierig, ist stramm gefedert, hält vertrauensvoll fest an der Fahrbahn und lässt sich dabei mühelos kontrollieren. Dazu noch die knackige Lenkung und das handliche Format - so wuselt der Aceman wild um die Ecken. Er macht nicht nur beim Ampelsprint in der Stadt Spaß, sondern auch bei einer flotten Landpartie.
Erst an der Ladesäule ist der Spaß vorbei. Normreichweiten von 299 bis 405 Kilometern gehen bei Batteriegrößen von 38,5 bis 49,2 kWh in dieser Klasse ja noch in Ordnung. Aber beim Laden mit maximal 11 am Wechsel- und bestenfalls 95 kW am Gleichstrom wird der Aceman vom Trumpf-Ass zur Lusche.
Fazit: Aller guten Dinge sind drei
Natürlich hat die Welt nicht auf noch einen Mini gewartet. Und verglichen mit anderen elektrischen Kleinwagen mag er auch nur gehobener Durchschnitt sein, beim Laden sogar noch weniger.
Doch in der Mini-Familie ist der Aceman zumindest für alle, die bereits reif sind für die E-Mobilität, tatsächlich der beste Kompromiss: Er fährt fast so gut wie der Cooper, ist fast so praktisch wie der Countryman, sieht genauso gut aus wie die beiden Brüder - und wird so vielleicht doch zum kleinen Triumph.
Datenblatt: Mini Aceman SE