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Prozesse BGH stärkt Anspruch der Eltern auf Unterhalt

16.09.2010, 04:14

Karlsruhe (dpa). Eltern haben nach einem höchstrichterlichen Urteil auch dann Anspruch auf Unterhalt ihrer Kinder, wenn sie diese wegen einer schweren Krankheit nicht vernünftig versorgen konnten. Der Bundesgerichtshof (BGH) verurteilte gestern einen 48-jährigen Mann, für seine inzwischen verstorbene Mutter rückwirkend Sozialhilfe an die Stadt Gelsenkirchen zurückzubezahlen.

Der Mann hatte sich geweigert, weil er als Kind von der Mutter wegen ihrer schweren Psychose nie gut behandelt worden sei. Geklagt hatte die Stadt und deutlich über 40000 Euro zurückverlangt. Der BGH untermauerte mit seiner Entscheidung die Verpflichtung von Kindern, bedürftige Eltern finanziell zu unterstützen.

Die jahrzehntelang psychisch kranke Frau war ab 2005 in einem Pflegeheim untergebracht gewesen und hatte wegen einer Psychose ihre Kinder nur zeitweise vernünftig versorgen können. Der Sohn hatte daher argumentiert, sie habe ihren Anspruch verwirkt. Dem folgten die BGH-Richter nicht (Az.: XII ZR 148/09).

"Es gibt keine ausreichenden Gründe für eine Verwirkung", sagte die Vorsitzende Richterin Meo-Micaela Hahne. Die Mutter treffe keine Schuld an ihrer Erkrankung. Der Sohn könne sich deshalb nicht darauf berufen, sie sei verantwortlich für seine schlimme Kindheit und habe daher keinen Anspruch mehr auf Unterhalt.

Der 48-Jährige hatte unter anderem seine traumatische Kindheit ins Feld geführt: Die Mutter habe unter Waschzwang gelitten, die Kinder "zwangsgebadet", deren Kleider zerschnitten und sei lange Zeit im Krankenhaus und für die Kinder nicht greifbar gewesen.

"Die Krankheit war aber eine schicksalhafte Entwicklung", begründete BGH-Richterin Hahne ihre Entscheidung. Die Folgen fielen in den Bereich der innerfamiliären Solidarität. "Der Unterhaltsanspruch ist somit nicht verwirkt."

Mit ihrer Entscheidung folgte der 12. Familiensenat im wesentlichen der Argumentation der Stadt Gelsenkirchen und der Vorinstanz. "Die Krankheit kann man der Mutter nicht vorwerfen", sagte der Anwalt der Stadt. Das Verhältnis zwischen Eltern und Kind sei nicht nur eine soziale, sondern auch eine rechtliche Beziehung. "Die Frage nach der Unterhaltsschuld ist eine rechtliche Verpflichtung – egal ob es gerade passt oder nicht." Zudem sei es auch keine "unbillige Härte", das Geld zurückzuverlangen. Der Sohn sei entsprechend leistungsfähig.

Die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Hamm, hatte den Mann zur Zahlung verurteilt. Da die Mutter krank gewesen und unter einer schizophrenen Psychose gelitten habe, treffe sie keine Schuld. Der Unterhaltsanspruch an den Sohn sei deshalb gerechtfertigt.

Dagegen hatte der 48-jährige beim BGH Revision eingelegt.