Weihnachtsengel erzählen "Christkind" sein lohnt sich
Nürnberger Christkind sein - das heißt mehr als Goldlocken und kalte Füße: Das Ehrenamt bringt Begegnungen mit kranken, armen und alten Menschen mit sich. Für manche ist das eine Herausforderung. Aber es ist lehrreich fürs ganze Leben, sagen ehemalige Christkinder.
Nürnberg (dpa) - Für viele Nürnberger Mädchen ist es ein großer Traum: Christkind sein und den berühmten Weihnachtsmarkt auf dem Hauptmarkt eröffnen. Seit fast 70 Jahren wird dieser Brauch in der fränkischen Stadt gepflegt.
Dabei ist der Job als goldgelockter Engel mit Walle-Kostüm und Krönchen kein Zuckerschlecken. In den vier Wochen vor Weihnachten müssen die Christkinder rund 150 Termine absolvieren - in Altenheimen, Krankenhäusern, bei Obdachlosen und natürlich auf dem Christkindlesmarkt. Kalte Füße sind dabei oft garantiert. Und doch empfehlen ehemalige Christkinder das Ehrenamt wärmstens - es prägt manche fürs ganze Leben.
Heike Steinbauer zum Beispiel zog es zum Theater. Sie wurde Souffleuse am Opernhaus. Und bis heute hilft sie den Christkindern bei der Markteröffnung mit dem Prolog auf die Sprünge, wenn diese mal nicht weiter wissen. "Einmal Christkind, immer Christkind", sagt die 53-Jährige. Und auch ganz praktisch hat ihr das Ehrenamt genützt: Bei einem Christkind-Job lernte die damals 18-Jährige den Nürnberger Operetten-Regisseur Kurt Leo Sourisseaux kennen und fragte ihn kurzerhand nach einem Volontariat. "Ich konnte Kontakte knüpfen, die meine berufliche Entwicklung unterstützt haben", sagt Steinbauer. Heute ist sie Gesangs- und Klavierlehrerin.
Das Christkind von 1981/82 musste sich gegen große Konkurrenz durchsetzen: Steinbauer trat gegen mehr als 100 Mädchen an. "Man steht im Rampenlicht und wird auch zum ersten Mal richtig ernst genommen", sagt sie rückblickend. "Es ist eine ganz tolle Erfahrung für das ganze Leben."
Das Auswahlverfahren hat sich seit Jahrzehnten kaum geändert: Aus den Bewerberinnen wird eine handvoll ausgewählt, die sich dann einer Jury aus Medien- und Stadtvertretern vorstellen, deren Fragen beantworten, den Prolog für den Christkindlesmarkt vortragen sowie ein selbst gewähltes Gedicht.
Wer gewählt wird, hat das Amt für zwei Jahre inne - und lernt womöglich etwas fürs Leben, so wie Rebekka Volland: "Mir ist in dieser Zeit erst bewusst geworden, wie gut es mir geht", sagt die 25-Jährige, deren Ehrenamt inzwischen acht Jahre her ist. Die vielen Termine als Weihnachtsengel mit ärmeren Familien und todkranken Menschen hätten sie "geerdet" und ihr vor Augen geführt, dass es nicht selbstverständlich ist, schöne Reisen machen und studieren zu können. Inzwischen arbeitet Volland bei der Messe und studiert berufsbegleitend Sportmanagement an der Uni Bayreuth.
Ihr Einsatz als Christkind habe sie "darin bestätigt, dass ich weiterhin mit Menschen zu tun haben möchte", sagt Volland. Sie habe jedoch gemerkt, dass etwa die Arbeit im Krankenhaus nichts für sie wäre: "Das nimmt man mit nach Hause. Mich würde das zu sehr beschäftigen. Daher habe ich einen wahnsinnigen Respekt davor, wenn Leute das machen."
Dankbar ist die 25-Jährige für Begegnungen, die nicht jeder hat - etwa mit Obdachlosen und Menschen mit Behinderung. "Viele haben im Alltag ja nicht diese Berührungspunkte und fühlen sich dann überfordert", sagt Volland.
Auch Eva Sattlers Sicht auf die Gesellschaft haben diese Begegnungen geprägt. Bis heute erinnert sich die 27-Jährige an einen Satz, den ein Mann in der Wärmestube zu ihr sagte: "Ach, Christkind, es ist schön, dass du auch zu uns kommst."
Ein weiterer Lerneffekt ihres Ehrenamtes in den Jahren 2005 und 2006: "Dass man sich sehr schnell auf neue Situationen einstellen kann - oft weiß man vorher nicht, wer einem gleich gegenüber steht. Man führt Interviews, ist im Fernsehen oder im Krankenhaus." Sie habe viel über ihr Auftreten und das Thema Kommunikation gelernt und an Selbstsicherheit gewonnen, sagt Sattler. Heute lebt sie in Ingolstadt und arbeitet in der internen Unternehmensberatung von Audi.