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Angespielt „Cyberpunk 2077“: „Phantom Liberty“ und Update 2.0 im Test

Der Spieleentwickler CD Projekt Red will mit einem Update und der Erweiterung „Phantom Liberty“ das Spiel „Cyberpunk 2077“ reparieren - und die Community endlich zufriedenstellen. Kann das gelingen?

Von Benedikt Wenck, dpa 23.10.2023, 13:36
In der überarbeiten Version von „Cyberpunk 2077“ gibt es unter anderem auch Kämpfe gegen Fahrzeuge, Cyber-Psychos sowie Gang-Anführer.
In der überarbeiten Version von „Cyberpunk 2077“ gibt es unter anderem auch Kämpfe gegen Fahrzeuge, Cyber-Psychos sowie Gang-Anführer. CD Projekt Red/dpa-tmn

Berlin - Kann man ein Videospiel retten? Das ist eine Frage, die sich nach vielen desaströsen Game-Veröffentlichungen stellt. Zu den in der Community wohl präsentesten - vielleicht auch übertrieben dargestellten - Desaster-Starts gehört „Cyberpunk 2077“.

Das jahrelang angekündigte, immer wieder verschobene neue Spiel der „The Witcher“-Entwickler kam Ende 2020 auf den Markt - für PC, Playstation 4 und 5 sowie Xbox Series X/S und Xbox One. Insbesondere auf den älteren Konsolen war es so fehlerhaft, dass Sony es zwischenzeitlich aus seinem Online-Story entfernte.

Der polnische Entwickler CD Projekt Red gelobte Besserung und erneuerte das Game an vielen Ecken mit einigen Updates. Der Höhepunkt dieser langen Serie an Reparaturarbeiten: Das Update 2.0 sowie die Erweiterung „Phantom Liberty“. Sie erscheinen jetzt knapp drei Jahre nach dem ursprünglichen Launch von „Cyberpunk 2077“.

Überarbeiteter Talentbaum beeinflusst Spielstil

Das Update 2.0 schraubt erneut an einigen Mechaniken. Der wahrscheinlich größte Teil: Der Talentbaum für Hauptcharakter „V“ wurde von Grund auf überarbeitet.

Statt Talenten, die ein paar Prozente auf Zahlen packen, sind viele der „Perks“ nun echte Veränderungen. Spielende können sie für ihre erworbenen Punkte einlösen und so ihren Spielstil beeinflussen.

Mehr Bedeutung haben nun auch die Cyber-Implantate. V kann sie sich bei sogenannten Ripper-Docs in den Körper operieren lassen. Die Implantate bestimmen etwa den Rüstungswert, der zuvor durch die Kleidung festgelegt wurde. Kleidung ist nun wiederum fast nur noch für Vs Aussehen relevant.

Ebenfalls neu ist das Polizei-System. Geht V zu rücksichtslos mit der Bevölkerung von Night City um, erscheint nach und nach immer mehr Polizei. Bis hin zum berüchtigten „MaxTac“-Sonderkommando, das auch für hochgelevelte Vs zum Problem werden kann.

Und noch mehr wurde verbessert: Crafting ist relevanter geworden, es gibt Kämpfe mit Fahrzeugen und etliche Boss-Kämpfe haben ein neues Balancing bekommen. Und es gibt ein neues Mini-Spiel an den Arcade-Automaten in Night City.

Erweiterung mit neuem Stadtteil ist kostenpflichtig

Das Update 2.0 ist kostenlos für die Spielversion auf PC, PS5 und Xbox Series. Die Konsolen der vorherigen Generation bleiben beim Update 1.6 stehen - eine bittere Pille für diejenigen, die zum Launch von Cyberpunk 2077 sowieso schon die meisten Probleme hatten.

Kostenpflichtig - und ebenfalls nur für neue Konsolen und PC verfügbar - ist die Erweiterung „Phantom Liberty“. Für rund 30 Euro schaltet man einen neuen Bezirk in Night City frei: „Dog Town“.

Dort gelten die Gesetze der restlichen Stadt nicht. Der separate Bereich um das Stadion wird von einer Art Warlord regiert, der noch gesetzlosere Gestalten anzieht als Night City.

Dog Town an sich ist ein Spektakel. Ein Schwarzmarkt, ein Club in einer leuchtenden Pyramide, ein verfallenes Dinosaurier-Museum - um nur einige der neuen Schauplätze zu nennen. Der von Gewalt und Kriminalität zerfressene Stadtteil stellt die Gegensätze zwischen ganz unten und ganz oben noch deutlicher dar als Night City.

Rettungsaktion lockt V in den neuen Stadtteil

V wird über einen Auftrag dorthin gebracht: Die Netrunnerin Songbird lotst Spielende in den neuen Stadtteil, wo sie die Präsidentin der NUSA - einem Nachfolgestaat der USA in der dystopischen Cyberpunk-Welt - nach einem Flugzeugabsturz retten muss.

Mit viel Waffengewalt bringt V die Präsidentin in Sicherheit. Er rutscht daraufhin in eine Art Agenten-Thriller ab, mit zwielichtigen Charakteren und schweren moralischen Entscheidungen. Dort spielt auch der von US-Schauspieler Idris Elba („The Suicide Squad“, „Avengers: Infinity War“) gespielte Solomon Reed eine wichtige Rolle.

Die Questline in Dog Town sowie andere Dinge, die man in dem neuen Stadtteil erledigen kann, bieten rund 20 Stunden Spielzeit. Wer sich durchkämpft, kann zudem neue Enden für das Hauptspiel freischalten.

„Phantom Liberty“ besser mit neuem Spielstand starten

Die Platzierung der neuen Inhalte ist unüblich: Normalerweise verlängern Erweiterungen Spiele nach hinten. Hier kommt die Erweiterung mittendrin. Das ist wohl ein Grund, warum das Studio empfiehlt, „Phantom Liberty“ mit einem neuen Spielstand zu starten.

Wer trotzdem mit seinem alten Charakter die Erweiterung spielen möchte, kann sich einmal komplett neue Talente aussuchen. Und so den überarbeiteten Talentbaum nutzen. Für den Wiedereinstieg braucht man etwas Zeit, um sich die neuen Fähigkeiten genau anzusehen.

Die Talente können Spieler zwar jederzeit neu verteilen - die Punkte für Attribute, die sie für das Freischalten weiterer Talente brauchen, können sie aber nur einmal zurücksetzen. Ohne Risiko kann man Builds auch außerhalb des Spiels basteln - mit dem kostenlosen Charakterplaner.

Ist die neue Version wirklich eine Verbesserung?

Können das Update 2.0 und die Erweiterung „Phantom Liberty“ nun „Cyberpunk 2077“ retten? Das kommt wie so oft darauf an. Das Ziel wurde erreicht für alle, die sich zum Launch an den vielen Bugs gestört haben oder schlicht nicht spielen konnte, weil das Spiel immer wieder abstürzte. Auch wenn vereinzelt noch Bugs auftreten. Auch alle, die den Talentbaum vorher zu eintönig fanden oder sich eine noch schönere Optik gewünscht haben, dürften nun zufrieden sein.

Doch an Cyberpunk 2077 wurde damals noch mehr kritisiert. So haben die Lebens-Hintergründe, die man für V auswählen kann, nahezu keine Auswirkungen auf den Spielverlauf. Viele Missionen bestehen weiterhin aus: Hinfahren, Gegner ausschalten, Belohnung einsammeln.

Auch das Cyberpunk-Genre sowie das Quellmaterial für das Spiel ist aus den 1980er Jahren, was man den Geschichten und Themen nach wie vor deutlich anmerkt. Allein, dass es im Night City sehr oft regnet, ist für eine in Kalifornien angesiedelte Stadt angesichts des realen Klimawandels keine zeitgemäße Zukunftsvision mehr.

Auch die in den 1980ern verbreitete Angst vor einem sich schnell entwickelnden Japan, schein aus der Zeit gefallen. Im spiel findet sie Ausdruck im Megakonzern Arasaka.

Eine aktueller wirkende Dystopie hätte dem Spiel insgesamt gutgetan - daran ändern auch die Updates nicht viel. Trotzdem gibt es weiterhin sehr persönliche, sehr bewegende und auch verstörende Geschichten in Cyberpunk 2077, insbesondere in den Nebenmissionen.

„Cyberpunk 2077“ ist in Kombination mit der Erweiterung „Phantom Liberty“ ein tolles, atmosphärisches Videospiel mit viel, viel Inhalt. Ob die Updates und die Erweiterung ausreichen, um die Geschichte - vom Desaster zur Rettung des Spiel - zu erfüllen? Das muss wohl jede Spielerin und jeder Spieler selbst entscheiden.