Notar Klaus Mohnhaupt aus Stendal antwortet auf eine Leserfrage Das Grundstück verschenken?
Ich bin verwitwet und habe drei Kinder. Mir gehört praktisch nur ein Hausgrundstück. Dieses möchte ich meiner ältesten Tochter schenken. Steht den beiden Geschwistern ein Pflichtanteil zu?
Es antwortet Notar Klaus Mohnhaupt aus Stendal: Zu Ihren Lebzeiten gilt: Sie sind frei, das Hausgrundstück an Ihre Tochter zu übertragen. Diese Übertragung kann durch niemanden verhindert werden; weder Sie noch ihre Tochter müssen im Zuge der Schenkung Ausgleichszahlungen an die Geschwister erbringen. Nach Ihrem Tod kann die Schenkung an Ihre älteste Tochter jedoch sog. Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen. Was sich dahinter verbirgt, verdeutlicht folgendes Beispiel: Nehmen Sie an, das Haus ist 100 000 Euro wert; sonstiges Vermögen ist bei Ihrem Tod nicht vorhanden. Obwohl nach der gesetzlichen Erbfolge jedes Kind 1/3 erbt, würden Ihre Kinder mangels vorhandenem Nachlass grundsätzlich leer ausgehen. Die Pflichtteilsergänzung führt jedoch dazu, dass dem tatsächlich vorhandenen Nachlass der Wert derjenigen Gegenstände hinzuzurechnen ist, die vom Erblasser innerhalb einer Frist von zehn Jahren vor dessen Tod unentgeltlich weggegeben wurden. Im geschilderten Fall könnten die beiden Geschwister von der ältesten Tochter je 16 666,67 Euro verlangen, da die Pflichtteilsquote 1/6 (Hälfte des gesetzlichen Erbteils) beträgt. Nach der derzeitigen Regelung entfallen diese Pflichtteilsergänzungsansprüche erst dann, wenn zwischen Schenkung (Datum der Eigentumsumschreibung) und Tod des Erblassers zehn Jahre vergangen sind. Doch Vorsicht: Behält sich der Schenker im Zuge der Übertragung zu umfangreiche Rechte (Nießbrauch, Wohnungsrecht am ganzen Haus, uneingeschränktes Rückforderungsrecht) vor, beginnt diese 10-Jahresfrist nicht zu laufen.
Im Zuge der Reform des Pflichteilsrechts wurde seit 1. Januar 2010 die bisherige "Alles-oder-Nichts-Lösung" durch eine allmähliche Abschmelzung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ersetzt. Der dem Nachlass hinzuzurechnende Betrag soll sich demnach jährlich um zehn Prozent des Wertes des verschenkten Gegenstandes reduzieren, bis nach zehn Jahren eine Hinzurechnung vollständig ausscheidet. Schenkungen zu Lebzeiten helfen also den Pflichtteil zu mindern.