Magdeburg l Sie können sich rund futtern - Sie können sich aber auch dick hungern. Klingt verrückt, ist aber so. Es gibt Auswege, um den gefürchteten Jo-Jo-Effekt zu vermeiden: die goldene Mitte. Das heißt: Nicht zu viel tanken, aber auch nicht zu wenig.
Jahrtausendelang ereilten uns immer wieder Hungersnöte. Überlebt hat, wer zuvor genügend Fett angesetzt hatte. Das Hüftgold ist die energiereichste Reserve für den Körper. Eine clevere Vorsichtsmaßnahme, denn die nächste Not kam ja bestimmt.
Dieses Urzeit-Notprogramm arbeitet bis heute. Leider, werden viele sagen. Doch unsere Gene hatten viel zu wenig Zeit, um sich auf die modernen Bedingungen brechend voller Regale einzustellen. Essen bis zum Abwinken können wir Europäer erst seit gut 60 Jahren. Die Folge: Essen wir über längere Zeit zu wenig, schaltet unser Körper auf das altbewährte Notprogramm. Sobald wir uns wieder "normal" ernähren, wird zuerst der Fett-Tank aufgefüllt. Der Schwabbelbauch ist schnell wieder da. Der gefürchtete Jo-Jo-Effekt.
Die goldene Mitte gegen das Hüftgold
Da dies unsere Natur ist, taugen Radikaldiäten, Fastenkuren und Hunger-weg-Pillen zu allem Möglichen - nur nicht zum dauerhaften Abnehmen. "Vergessen Sie alles, was Ihnen die Werbung da verspricht", sagt Ernährungswissenschaftler Ronald Biemann von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. "Klar können Sie in vier Wochen zehn Kilo verlieren. Sobald Sie aber wieder normal essen, sind die ruckzuck wieder drauf."
Schlimmer noch: Nach solchen Extrem-Kuren wachsen die Polster oft noch schneller als vor der Diät. "95 Prozent aller Diäten scheitern und führen zu Frust, Unzufriedenheit und zu mehr Gewicht als vorher", meint auch Hans Gerlach, Ernährungsberater und Autor des Buchs "So geht schlank - leichter leben in Deutschland".
Ist der verdammte Jo-Jo-Effekt vermeidbar? Ja, sagt die Wissenschaft.
Methode eins: Sie machen eine strenge Diät und darben danach das ganze Leben lang. Klingt nicht sehr verlockend.
Methode zwei: Sie essen sich weiter satt, stellen aber auf eine gesündere Ernährung um. Und: Sie bewegen sich mehr. Sie lassen es aber keinesfalls zu, dass Ihr Körper ins Notprogramm umschaltet. Wie geht das?
Dazu bedarf es eines kleinen Exkurses. Wissenschaftler sprechen vom Grundumsatz und vom Leistungsumsatz.
lGrundumsatz: Diese Energie benötigt jeder Mensch für Herzschlag, Atmung, Kreislauf. Das ist wie beim Auto, dessen Motor im Standgas tuckert. Der Bedarf ist bei jedem Menschen verschieden, es gibt aber eine Formel (siehe Grafik). Männer brauchen dafür im Schnitt um die 1800 Kilokalorien am Tag; Frauen etwa 1500 Kilokalorien. Seinen persönlichen Grundbedarf zu kennen, ist zur Vermeidung des Jo-Jo-Effekts immens wichtig. "Wir dürfen beim Abnehmen nicht unter diesen Grundumsatz kommen, damit unser Körper nicht ins Notprogramm umschaltet", sagt Ernährungsexperte Biemann.
lLeistungsumsatz: Für jeden Schritt, jede Stunde Arbeit oder Sport benötigen wir zusätzlich Energie. Das ist der Leistungsumsatz. Der liegt bei Bergleuten höher als bei Büroarbeitern, bei Sportlern höher als bei Stubenhockern.
lGesamtbedarf: Grundumsatz plus Leistungsumsatz ergibt den Gesamtbedarf. Wie viel Sie am Tag insgesamt benötigen, können Sie anhand der Formeln (siehe Grafik) leicht ausrechnen.
lDer Kniff des Abnehmens ohne Jo-Jo: Sie müssen irgendwo zwischen Grundumsatz und Gesamtverbrauch landen. Also die goldene Mitte finden, um das Hüftgold loszuwerden.
500 Kilokalorien täglich zu sparen, halten Experten für ausreichend. "Mit dieser Methode nimmt man zwar langsamer ab, dafür aber kann man sein Gewicht nach der Abnehmphase auch gut halten", sagt Biemann. "Verzichen Sie daher auf schnelle Diäten und versuchen Sie stattdessen, Ihren Lebensstil langfristig umzustellen und gesünder zu leben."
Bei vielen Radikal-Diäten werden tagelang oft nur 1000 Kilokalorien und weniger empfohlen. Das sei zu wenig und führe unweigerlich zum Jo-Jo-Effekt, warnt Gerlach. Sein Rat: "Wir dürfen unserem Körper beim Abnehmen nie zeigen, dass wir abnehmen wollen. Wir müssen unseren Körper täuschen, damit dieser nicht in das Notprogramm fällt."
Da die wenigsten mit dem Kalorien-Taschenrechner einkaufen wollen, haben Fachleute eine gute Faustformel parat. Dazu muss man nur schauen, wie viel Energie pro 100 Gramm auf dem Etikett angegeben sind. Stoffwechselexperte und Ernährungsberater Professor Claus Luley, bis 2011 Institutsleiter an der Uni Magdeburg, empfiehlt:
lAlles unter 100 Kilokalorien je 100 Gramm ist top,
l 100 bis 200 Kilokalorien sind gut,
l 200 bis 350 Kilokalorien - Achtung, wenig davon essen
l und alles über 350 Kilokalorien je 100 Gramm ist in der Abnehmphase tabu.
Zwei Schmalhans-Tage sind erlaubt
Manche schwören auf eine kurze, heftige Diät am Anfang - eine Art Startschuss für Körper und Geist. Die Industrie bietet da allerlei Pulver und Riegel an. Der Vorteil: Gleich zu Beginn purzeln schnell Pfunde, was einem das gute Gefühl gibt, auf dem richtigen Weg zu sein.
Doch Fachleute raten: Schmalhans sollte höchstens zwei Tage lang Küchenmeister sein. An diesen beiden Starttagen darf man sich mal unterkalorisch ernähren, also unter dem Grundumsatz bleiben. Wer das deutlich länger macht, riskiert den Jo-Jo-Effekt. "Denn schon nach 48 Stunden fällt der Körper ins Notprogramm", warnt Biemann. Noch besser ist es, das neue Leben nicht mit Pülverchen, sondern mit einer bewussten Ernährung zu beginnen. "Mehr Gemüse und Vollkornprodukte essen, dafür deutlich weniger Zucker, Weißbrot, Brötchen und Alkohol - das reicht schon, um gesund abzunehmen."
Zweiter Teil am Sonnabend: "Runter vom Zuckerberg"