Hobbysammler lassen essbare Pilze oft aus Unkenntnis stehen / Wissen um Merkmale ist wichtig Die äußerst "verdächtigen Violetten"
Giftig oder nicht? Diese Frage stellen sich Hobby-Pilzsammler. Der Magdeburger Pilzsachverständige Martin Groß stellt im vierten Teil der Volksstimme-Reihe essbare Pilze vor, die oft für giftige gehalten werden.
Magdeburg (rgm) l Die sehr warmen Tage der vergangenen Zeit täuschen etwas darüber hinweg, dass wir uns schon im meteorologischen Herbst befinden, der seine speziellen Herbstpilzarten hervorbringen wird. Vom forstlichen Waldschädling "Hallimasch" hörten wir schon. Nun sollen einmal zwei Herbstpilzarten angesprochen werden, die dem Laien wegen ihres Aussehens oft als giftig erscheinen, die aber tatsächlich gute Speisepilze sind. Die Rede ist vom Violetten Rötelritterling (Lepista nuda) und dem Lilastieligen Rötelritterling (Lepista personata).
Die beiden deutschen Artnamen bezeichnen sehr schön das, was man auch tatsächlich sieht. Beim Violetten Rötelritterling handelt es sich um einen Pilz der in allen "Körperteilen" vollständig violett gefärbt ist. Der lateinische Artname "nuda" umschreibt die "entblößte", also nackte Hutoberfläche. Der Lilastielige Rötelritterling ist nicht in allen Teilen violett gefärbt, sondern hier ist es nur der Stiel. Seine Lamellen und der Hut sind blass-grau bis blass-bräunlich.
Beide Arten kommen als reine Herbstpilzarten von etwa Ende September bis Ende Oktober vor. Man hat sie aber auch schon im Frühjahr gefunden, wenn sie im Herbst nicht zur Fruchtkörperbildung gekommen sind, weil es da viel zu trocken war. Im Laubwald findet man sie unter Umständen in ergiebigen Mengen.
Silberlöffel sagt nichts aus
Beide Arten sind durchaus schmackhaft. Zu bedenken ist aber, dass es in der Gattung der "Schleierlinge" (Cortinarien) mehrere Pilzarten gibt, die ebenfalls im Aussehen durch violette Färbungen auffallen, aber keine Speisepilze sind, auch wenn sie zum Teil schon gegessen wurden. Schleierlinge sind wegen ihrer weitgehend unerforschten möglicherweise gesundheitsschädlichen Inhaltsstoffe grundsätzlich zu meiden.
Das charakteristische Merkmal der Schleierlige ist der "Schleier", der bei allen Arten vom Hutrand zum Stiel feinfädig um den Pilz herum angeordnet ist und der in der Regel zerreißt, wenn der Pilz aufschirmt, also seinen Hut ausbreitet. Die feinen fadenartigen Reste diese "Schleiers" finden sich dann in der Regel immer noch am Hutrand und auf der Stielmitte. Dieses Merkmal kann auch der Laie recht gut erkennen, so dass die Unterscheidung zu den beiden guten Speisepilzarten aus der Gattung der Rötelritterlinge recht leicht ist.
Nicht mehr als 250 Gramm
Eine dritte vollständig violett gefärbte essbare Pilzart ist der Violette Lacktrichterling (Laccaria amethystina), der weder zur Gattung der Rötelritterlinge noch zu den Schleierlingen gehört. Er ist zwar genauso wie der Violette Rötelritterling in allen Teilen violett, jedoch handelt es sich hier um einen wesentlich kleineren Pilz. Er kann bei günstiger Witterung durchaus auch in größeren Mengen vorkommen, sodass sich der Kleinheitsnachteil beim Sammeln zum Teil ausgleicht.
Massenvorkommen sind zwar nicht so häufig, da er jedoch regelmäßig erscheint, wird er für den Kundigen zum willkommenen Anteil eines Mischpilzgerichtes. Sehen dann die Unkundigen leuchtend lila Pilze im Essen, sind sie meist entsetzt. Da wie bei vielen anderen essbaren Pilzen auch beim Lila Lacktrichterling die Stile recht zäh sind, nimmt man hier nur die Köpfe, das heißt die Hüte.
Wichtig ist auch noch die Information, dass der Lila Lacktrichterling neben der Marone die Pilzart ist, die radioaktives Cäsium137 aus dem Tschernobyl-Fall-Out am besten speichert. Das heißt, hier können erhebliche Cäsium137-Gehalte auftreten.
Sofern man sich aber mit Blick auf die noch anderen Kontaminanten in Wildpilzen, wie beispielsweise Schwermetalle, an die allgemeine Empfehlung hält, lediglich 250 Gramm Wildpilze pro Woche zu essen, ist davon auszugehen, dass keine gesundheitliche Gefahr besteht.
Die Verwechselungsgefahr besteht bei den drei beschriebenen essbaren mehr oder minder violett gefärbten Arten mit den genannten Schleierlingsarten auch für den Rosa Rettichhelmling (Mycena rosea) und seinem Verwandten, dem Gemeinen Rettichhelmling (Mycena pura, großes Foto). Beide sind wegen gefundener Gehalte des Pilzgiftes Muskarin als giftig eingestuft, jedoch wird über den Grad der Giftigkeit gestritten. Größenmäßig passt der Rosa Rettichhelmling gut zu den beschriebenen Arten, wobei er allerdings keine violetten Farbtöne aufweist, sondern immer vollständig rosa-farben ist. Der Gemeine Rettichhelmling ist kleiner und könnte am ehesten mit dem ihm etwa geichgroßen Violetten Lacktrichterling verwechselt werden. Er geht auch farblich mehr ins violett-blaue und ist nicht rosa-farben.
Am Schluss soll noch einmal deutlich gesagt werden, dass man von lebhaften Färbungen bei Pilzen nicht auf eine etwa vorhandene Giftigkeit schließen kann. Genauso wenig wie ein im Pilzgericht "mitgekochter" Silberlöffel durch Anlaufen irgendwelche Giftpilze in einer Pilzmahlzeit anzeigen könnte.
Wenn man die Pilze sicher kennen will, um gerade auch ihren besonderen kulinarischen Wert zu nutzen, bleibt also nur, sich nach und nach deren Merkmale genau einzuprägen. Ein starkes Motiv dabei ist, speziell die essbaren Pilzarten sammeln zu können, die die anderen aus Unkenntnis stehen lassen müssen, weil sie sie nicht oder nicht gut genug kennen.
Wem das aber alles zu mühselig ist und trotzdem gern Wildpilze essen möchte, hat die Möglichkeit das in Sachen-Anhalt vorbildliche und flächendeckende Netz ehrenamtlich arbeitender Pilzberatungsstellen zu nutzen. Das berät in Normaljahren durchschnittlich rund 10 000 Ratsuchende mit dem Hauptziel Pilzvergiftungen zu vermeiden.
(Der fünfte Teil der Pilzreihe erscheint am Donnerstag, 20. September.)
Wer Pilzsachverständiger werden möchte, der wendet sich an den Landesverband der Pilzsachverständigen in Sachsen-Anhalt, 39120 Magdeburg, Buchenweg 15. Telefon unter (0391) 6 22 75 57 oder (0391)5 67 46 79. E-Mails an die Geschäftsstelle: lvps@gmx.de oder an martin.gross@ms.sachsen-anhalt.de