Fall 2: Enge Zwischenräume zwischen Grundstücken Die Plage mit den "Katzengängen"
Um die traditionelle Bauweise in vielen Dörfern geht es Günter Grau aus Sandbeiendorf in seinem Brief an den Leseranwalt. Diese, so meint er, führt aus heutiger Sicht mitunter zu nicht ganz glücklichen Tatsachen. So bauten Nachbarn ihre Grundstücke oft sehr eng zusammen, getrennt nur durch wenige Zentimeter breite sogenannte Katzengänge.
Da habe sich oft jahrzehntealter Bauschutt angesammelt. Eine starke Vernässung durch das Traufrecht und fehlende Luftzirkulation seien die Folge. Eine derartige Altlast lasse manchen Grundstücksbesitzer fast verzweifeln. Und er fragte, ob das Traufrecht noch im Baurecht verändert sei und wer für die Instandsetzung und Wartung der oft kaum zu erreichenden Gänge zuständig sei?
Mit diesen Fragen wandten wir uns an den Vorsitzenden des Landesverbandes der Grundstückseigentümer "Haus Grund", Dr. Holger Neumann. Für derartige Zwischenräume, so heißt es in der Antwort, finden sich in den einzelnen Ländern Deutschlands unterschiedliche Begriffe. So werden sie auch "Schluppe" oder "Winkel" genannt. Für die Winkel gab es im Allgemeinen Landrecht für die preußischen Staaten die Regelung, dass derartige Zwischenräume zwischen den Häusern als gemeinschaftlich erachtet wurden (Paragraf 120 Preußisches Landrecht). Nur wenn der Nachbar in Richtung dieses Winkels Fenster hatte, wurde vermutet, dass ihm das alleinige Nutzungsrecht zusteht.
Im Bürgerlichen Gesetzbuch findet man in Paragraf 921 den Begriff der Grenzlage. Hier wird auch der Winkel im Gesetzestext aufgeführt und in Paragraf 922 die Art der Benutzung und Unterhaltung geregelt. Danach sind die Nachbarn gemeinschaftlich zur Nutzung berechtigt und zur Unterhaltung verpflichtet. Solange ein Nachbar Interesse am Fortbestand der Grenzeinrichtung hat, darf sie nicht ohne seine Zustimmung beseitigt oder geändert werden.
Handelt es sich um ehemals unvermessene Grundstücke, sogenannte ungetrennte Hofräume, wurden in den letzten Jahren in der Regel durch das Verfahren der Bodensonderung die Grenzen festgelegt. Bis zum 31. Dezember 2010 galt die Hofraumverordnung, die die formale Grundbuchfähigkeit solcher Grundstücke sichern sollte.
Es ist daher anzuraten, zunächst den genauen Verlauf der Grenze festzustellen, bevor weitere rechtliche Schritte erwogen werden. Der richtige Ansprechpartner ist hier entweder das Landesvermessungsamt oder ein Vermesser, der berechtigt ist, die Katasterunterlagen einzusehen.
Verläuft die Grenze in der Mitte des Winkels, kann erst einmal jeder Eigentümer mit seinem Grundstück nach Belieben verfahren.
Liegt jedoch eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung vor, besteht allerdings ein Vertrauensschutz. Dieser erlaubt es dem Einzelnen nicht, den Sinn und Zweck des Winkels, das heißt die gemeinsame Dachentwässerung, infrage zu stellen. (esch)