Toleranz und Rücksicht Effektiv arbeiten im Großraumbüro
Nicht jeder Arbeitnehmer kommt im Großraumbüro zurecht: Der häufig hohe
Lärmpegel macht vielen zu schaffen. Um dort dennoch effektiv zu
arbeiten, bedarf es einiger Verhaltensregeln.
Berlin (dpa) l Lachende Kollegen, klingelnde Telefone und eine surrende Klimaanlage: Das ist der Sound im Großraumbüro. Wer hier arbeitet, muss einiges aushalten. Mit steigender Bürogröße nimmt die Zufriedenheit mit den Bedingungen am Arbeitsplatz ab. Das zeigt eine Befragung der Hochschule Luzern unter 1230 Büroarbeitern. Um in einem Großraumbüro effektiv arbeiten zu können, braucht es Toleranz und Rücksicht.
"Der Lärm und der Mangel an Privatheit sind ein wesentlicher Belastungsfaktor am Arbeitsplatz - gerade bei Arbeiten, die Konzentration und Kreativität erfordern", sagt Prof. Michael Kastner. Er arbeitet am Institut für Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin in Herdecke. Der Stress drücke sich in einer erhöhten Fehlerquote oder in einer geringeren Aufmerksamkeit und Konzentration aus.
Durch den Lärm kann auch das Risiko von Herzerkrankungen steigen, erklärt Anette Wahl-Wachendorf vom Verband der Betriebs- und Werksärzte. Im Großraumbüro können bis zu 75 Dezibel entstehen. Das ist so laut wie Verkehrslärm. Allerdings sei es nicht so gravierend wie Baulärm. Im Idealfall betrage die Lautstärke 55 Dezibel.
Wahl-Wachendorf rät, Störenfriede wie Drucker und Klimaanlage ins Visier zu nehmen. Leise Geräte sind nicht unbedingt teurer als laute Geräte. Drucker und Kopierer sollten nach Möglichkeit von den Arbeitsbereichen abgetrennt stehen. Auch Trennwände könnten Abhilfe schaffen. Betriebsarzt und Betriebsrat können nützliche Tipps geben und zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vermitteln.
Für Susanne Helbach-Grosser vom Netzwerk Etikette Trainer International ist die Distanz das A und O einer guten Zusammenarbeit im Großraumbüro. "Das fängt schon beim eigenen Körpergeruch an", sagt sie. Wenn ein Kollege morgens aufdringlich nach Moschus riecht, mangele es an der nötigen Distanz. Das Gleiche gelte für Mahlzeiten am Arbeitsplatz. "Den Geruch eines Fischbrötchens empfinden viele Kollegen als belästigend."
Wer sich im Großraumbüro gestört fühlt, sollte die entsprechenden Kollegen umgehend ansprechen, rät Helbach-Grosser. "Es muss einen nicht fünf Jahre lang stören." Mit Kollegen, die zu laut telefonieren, könne zum Beispiel ein Zeichen vereinbart werden. "Vielleicht lässt sich sogar mit einem lustigen Schild auf die Störung hinweisen."
Den Einsatz von Ohropax oder Kopfhörern findet Helbach-Grosser grenzwertig. "Stellen Sie sich mal vor, der Chef ruft nach Ihnen, und Sie kriegen das nicht mit", sagt sie. Sicherlich gebe es Tätigkeiten, bei denen nichts dagegen spricht. Aber dann sollte es mit den Kollegen und Vorgesetzten abgesprochen werden. "Mit einem Spruch wie \\\'Ich klink mich mal aus!\\\' stößt man dann auch eher auf Einverständnis, als wenn man kommentarlos zu Ohropax oder Kopfhörern greift."
Persönliche Gespräche sollten Arbeitnehmer im Pausenraum oder in der Teeküche führen. In einigen Großraumbüros gibt es für Besprechungen auch sogenannte Meetingpoints, die von den Arbeitszonen akustisch isoliert sind.
Nicht jede Aufgabe erfordert teamorientiertes Arbeiten. Sofern es Rückzugsmöglichkeiten für konzentrierte Einzelarbeit gibt, sollten diese gerade vormittags genutzt werden, rät Kastner. "Hochkomplexe Aufgaben sind morgens am besten zu bewältigen", sagt er. E-Mails und Telefone unterbrechen die Konzentration. Nach der Mittagspause könne dann der Vorteil des Großraumbüros genutzt werden: der Austausch mit Kollegen.
In einigen Großraumbüros haben Mitarbeiter sogar zusätzlich ein kleines Einzelbüro. "In Wirklichkeit wollen viele Unternehmen mit Großraumbüros aber nur Kosten sparen, auch wenn sie ihre Entscheidung mit der besseren Kommunikation unter Mitarbeitern begründen", stellt Kastner fest. Die Kostenersparnis sei mit den zusätzlichen Einzelbüros aber nicht mehr gegeben.
Bei Kollegen, die mit dem Rücken zu stark benutzten Gängen sitzen, ist besondere Rücksicht gefragt. Der Blick auf den Bildschirm beim Vorbeigehen stört das menschliche Bedürfnis nach Privatheit. Deswegen ist es auch nicht angebracht, sich hinter den Kollegen zu stellen und ihn anzusprechen - am besten erst vor die Person stellen und dann mit ihr reden.
Der Einzelne hat kaum Einfluss auf Lärm, Temperatur und Beleuchtung. Es bedarf dabei der Kooperation mit den anderen Mitarbeitern. "Ich kann nicht losrennen und das Fenster schließen, wenn ein Kollege es gerade erst geöffnet hat", erklärt Helbach-Grosser. Hier sei Rücksicht und Toleranz gefragt. Kleidet man sich morgens nach dem Zwiebelprinzip, können im Verlauf des Arbeitstages einzelne Schichten von Kleidungen entsprechend der Raumtemperatur aus- oder angezogen werden.