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Leser-Obmann Ein Unwort immer wieder verwendet

Leser haben sich kritisch dazu geäußert, dass im Zusammenhang mit Kindsmissbrauch das Wort "Kinderschänder" verwendet wird.

Von Peter Wendt 30.10.2017, 00:01

Es ist ein Unwort und wird dennoch immer wieder verwendet – zuletzt in der Berichterstattung über einen 24-Jährigen, der die Tochter seiner Lebensgefährtin missbraucht und die Taten gefilmt haben soll: Zahlreiche Medien benutzten selbst in ihren Überschriften das Wort „Kinderschänder“, diese Zeitung nicht ausgenommen. „Kinderschänder-Fahndung erfolgreich“, hieß es da. Leser machten mich nach Erscheinen meiner Kolumne „Ein Fehler, der nicht hätte passieren dürfen“ auf den problematischen Gebrauch dieses Begriffs aufmerksam.

Damit befasste sich auch eine kritische Analyse des Onlinebranchendienstes „Meedia“. Deren Autor Hendrik Steinkuhl erklärt: „Den Täter ,Kinderschänder‘ zu nennen, macht das Opfer zusätzlich zur Geschändeten – und damit alles nur noch schlimmer.“ Das Opfer eines „Kinderschänders“ werde sprachlich „zu einem Teil der Schande, vom Täter infiziert, kontaminiert, besudelt“. Damit verbunden sei ein Ehrbegriff, den westliche Gesellschaften zum Glück weit hinter sich gelassen hätten. „Ihn mit dem ,Kinderschänder‘ indirekt wieder hervorzuholen, kann man antiaufklärerisch nennen; in jedem Fall ist es denunziatorisch, denn als Teil der Schande besitzt das Opfer mindestens auch einen Teil der Schuld“, so Steinkuhl.

Der Autor erinnert daran, wie sich die Nazis den Begriff „Schande“ zu eigen gemacht hatten und verweist auf dessen gegenwärtigen Gebrauch durch Rechtsextremisten. Mit dem Slogan „Todesstrafe für Kinderschänder“ hätten diese das Wort „an sich gerissen – und zum Kampfbegriff gemacht. Politisch ein cleverer Schachzug, bei Facebook etwa liest man die Forderung immer wieder“, stellt der Autor fest.

Auch Organisationen, die sich um Opfer sexueller, körperlicher oder seelischer Gewalt kümmern, lehnen den Begriff „Kinderschänder“ als Bezeichnung für Missbrauchs-täter auf Grund der implizierten Zuweisung von Schande an das Opfer und aus Respekt gegenüber Betroffenen kategorisch ab. Sie appellieren – wie etwa der Verein „Regenbogenwald – Hilfe zur Selbsthilfe e.V.“ – an die Medien, es ebenso zu halten.