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  7. Leben in Sachsen-Anhalt: Falkenstein als familienfreundlicher Ort

Familienleben in Sachsen-Anhalt Warum Sachsen-Anhalts Kleinode wie Falkenstein bei Familien punkten

Niedrige Wohnkosten, nette Nachbarn und wenig Lärm: Die Regionen abseits der großen Städte haben für die Menschen, die dort zu Hause sind, eine hohe Attraktivität. Warum die Zukunftsaussichten allerdings düster sind.

Von Julius Lukas Aktualisiert: 09.10.2023, 10:17
Burg Falkenstein im Harz ist das Wahrzeichen der gleichnamigen Gemeinde.
Burg Falkenstein im Harz ist das Wahrzeichen der gleichnamigen Gemeinde. (Foto: IMAGO / Steffen Schellhorn)

Halle (Saale)/MZ - Grußworte auf Websites von Gemeinden sind oft Floskelansammlungen. Manchmal allerdings spiegeln sie auch das Selbstverständnis der Menschen, die in einer Kommune leben. So ist es bei Falkenstein. „Wir leben gern da, wo andere ihre Freizeit oder ihren Urlaub verbringen. Wir haben gute Kontakte zu unseren Mitbürgern und schätzen Geselligkeit“, steht da im Grußwort der Harz-Stadt. Unterzeichnet hat es nicht, wie sonst üblich, der Bürgermeister, sondern „Wir, die Falkensteiner Bürger“. Und die schreiben im letzten Satz: „Wir fragen nicht, was unsere Stadt für uns tun kann, wichtig für uns ist, was wir für unsere Stadt tun können.“

Die Konradsburg im Harz mit Blick auf die Stadt Falkenstein: Die Region punktet mit niedrigen Wohnkosten und malerischem Blick.
Die Konradsburg im Harz mit Blick auf die Stadt Falkenstein: Die Region punktet mit niedrigen Wohnkosten und malerischem Blick.
(Foto: Imago/Grafik: MZ)

Die Falkensteiner schätzen ihre Gemeinde und sind bereit, sich für ihre Heimat einzusetzen. Und das gilt für viele eher ländliche Orte in Sachsen-Anhalt – das zeigt auch die Familien-Umfrage der Mitteldeutschen Zeitung und der Magdeburger Volksstimme.

Gemeinschaftliches Leben in Falkenstein

Dafür wurden knapp 12.000 Menschen auch zum Thema Wohnen und Wohnumgebung befragt. Das Resultat ist ein klarer Sieg des Landlebens über das Stadtleben. Kommunen wie Falkenstein, Huy (Kreis Harz) oder die Verbandsgemeinde Droyßiger-Zeitzer Forst (Burgenlandkreis) punkten mit niedrigen Wohnkosten, wenig Lärm und einer freundlichen Nachbarschaft. All das schreiben die Teilnehmer den Großstädten Halle und Magdeburg eher nicht zu.

Dieser Text ist Teil der großen Serie: FamilienLeben in Sachsen-Anhalt.
Dieser Text ist Teil der großen Serie: FamilienLeben in Sachsen-Anhalt.
MZ/VS

Landleben: Ein klarer Sieger

Allerdings: So schön das Landleben auch ist, die Zukunftsprognosen sind eher düster. Auf das Hier und Jetzt ist Rico Röse von den Freien Wählern jedoch hörbar stolz.

Seit diesem Jahr ist er Bürgermeister von Falkenstein. „Es lebt sich einfach richtig gut hier“, sagt Röse und hebt neben den vorhandenen Schulen und Kitas auch das Vereinsleben und die vielen Veranstaltungen hervor. „Hier ist fast jedes Wochenende was los, und das ehrenamtliche Engagement der Einwohner ist herausragend gut“, meint der Bürgermeister.

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Falkenstein: Ein Ort des Engagements

Der Zusammenhalt, der in ländlichen Regionen besteht, zeigt sich auch in der Familien-Umfrage. In der Kategorie „Freundliche Nachbarn“ gewinnen die eher ländlich geprägten Regionen Altmarkkreis Salzwedel, Börde und Jerichower Land mit Noten von 1,74 bis 1,83, wobei eins die beste und fünf die schlechteste Note ist.

Schlusslichter sind Dessau-Roßlau, Halle und Magdeburg, wobei auch hier passable Noten von im schlechtesten Fall 2,18 erreicht wurden. Auch bei der Aussage „Ich fühle mich in meiner Wohngegend wohl“ stimmen auf dem Land etwas mehr Menschen zu als in der Stadt. Insgesamt bejahen die Aussage aber 80 Prozent aller Teilnehmer.

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(Grafik: MZ)

Freundliche Nachbarn: Ländliche Regionen führen

Die guten Ergebnisse für das Leben abseits der Zentren sind für Dieter Rink nicht verwunderlich. „Auf dem Land kennen sich die Menschen, es gibt gewachsene Nachbarschaftsstrukturen“, sagt der Stadtsoziologe vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig (UFZ).

Negative Begleiterscheinungen des Stadtlebens wie Lärm gebe es dort weniger. Und Entwicklungen wie steigende Mietpreise kämen auf dem Land nicht so zum Tragen, da viele Menschen im Eigentum lebten. „Das sind dann eher Probleme der Großstadt, wo um die 80 Prozent zur Miete wohnen und es in den vergangenen Jahren einen enormen Zuzug etwa von Migranten gab“, erklärt Rink.

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Stadtleben: Steigende Mietpreise und Lärm

Wie viel teurer Wohnen in den Großstädten ist, zeigt auch die Statistik. Laut dem Portal Immobilienscout24 liegen die Mietpreise in Halle und Magdeburg mindestens einen Euro pro Quadratmeter über denen der Kreise. Auch die Kaufpreise sind deutlich höher und durchbrechen die Marke von 2.000 Euro pro Quadratmeter.

Laut Dieter Rink wird diese Entwicklung anhalten: „Eine ganze Reihe von Städten hat jetzt schon Probleme, Wohnraum zur Verfügung zu stellen.“ Verschärfend komme hinzu, dass die Bautätigkeit bei Mehrfamilienhäusern wie Eigenheimen durch einen Mix aus gestiegenen Baustoffkosten, höheren Tarifen im Bausektor, Verteuerung von Energie und Zinsanstieg stark rückläufig sei. Eine Besserung der Wohnungssituation sei nicht in Sicht.

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Herausforderungen des Landlebens

Herausforderungen gibt es aber auch im ländlichen Raum. Und dort sind sie sogar noch größer. Das zeigt sich schon an der Einschätzung der Zukunftschancen für Kinder. Die werden in der Umfrage in Halle (Note 3,44) und Magdeburg (3,41) am besten bewertet und in Mansfeld-Südharz (4,00) und dem Altmarkkreis Salzwedel (4,03) am schlechtesten.

Diesen bangen Blick in die Zukunft hat auch Andreas Siegert. Der Soziologe, der von 1998 bis 2002 für die SPD im Landtag saß, lebt in Alberstedt (Saalekreis) und befasste sich in Untersuchungen mit dem ländlichen Raum.

Zukunftschancen für Kinder: Städte führen

„Sachsen-Anhalt steht vor sehr großen Herausforderungen“, so der freiberufliche Wissenschaftler. Die Abwanderungswellen der Nachwendezeit seien nie aufgefangen worden. „Heute ist die Bevölkerung vor allem im ländlichen Raum überaltert.“

Die Politik habe verpasst, dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen. „Anstatt die Landstriche abseits der zentralen Orte attraktiver zu machen, wurde auf weniger Einwohner mit weniger Mittelzuweisungen reagiert“, sagt Siegert. Das Resultat sei ein Teufelskreis, bei dem sich viele Prozesse verstärkten. Bei Infrastruktur, Daseinsvorsorge und Freizeit- und Kulturangeboten sinke das Niveau beständig.

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Sachsen-Anhalt: Große Herausforderungen voraus

Weitere Leistungsträger würden deswegen wegziehen oder sich gar nicht erst ansiedeln. Das fördere den Mangel an Arbeits- und Fachkräften, Unternehmensschließungen oder Standortverlagerungen und sinkende kommunale Einnahmen.

Selbst Vorteile des ländlichen Raums wie geringe Wohnkosten werden so zum Nachteil, sagt Siegert. „Denn was dort gespart wird, muss an anderer Stelle gezahlt werden – etwa bei der Mobilität.“

Ländlicher Raum: Vorteile werden zu Nachteilen

Wegen des schlecht ausgebauten öffentlichen Nahverkehrs müsse oft auf das Auto ausgewichen werden – und das sei teuer. „Solche Aspekte stellen die Vorteile des ländlichen Raums in den Schatten und machen ihn für die so dringend benötigte Zuwanderung vor allem junger Familien immer unattraktiver“, meint Siegert.

Möglichkeiten, an der schlechten Prognose etwas zu ändern, gebe es. „Allerdings muss sich die Politik dafür endlich vom Konzept der zentralen Orte abwenden und den ländlichen Raum, in dem immerhin der Großteil der Menschen in Sachsen-Anhalt lebt, nachhaltig und mit mehr finanziellen wie personellen Mitteln stärken, aber auch mit Kompetenzen“, sagt der Soziologe.

Gedanken über die Zukunft macht sich auch Rico Röse in Falkenstein. „Vor allem junge Familien könnten wir schon noch ein paar gebrauchen“, sagt er und wirbt gleich: „Bauland gibt es bei uns noch, und wir sind dabei, weitere Flächen auszuweisen.“